Warum Böse das neue Gut ist
Eine Ehrenrettung des Teufels. Er sieht gut aus, er ist schlau und hält sich an Abmachungen. Was soll daran schlecht sein? Gottes Werk wäre wohl die Hölle – ohne Teufels Beitrag.
Immer wenn der Teufel auftritt, hält der Mensch den Atem an. Was nicht nur an seinem Schwefelgestank, sondern auch an seinem hässlichen Äußeren liegen könnte. Er trägt Hörner, einen Schweif und hat einen Ziegenfuß. Die Beschreibung ist eine infame Rufschädigung. Denn der Teufel muss – zumindest wenn man der Bibel Glauben schenkt – verdammt gut ausgesehen haben. In Hesekiel (28, 12b und 13a) ist über ihn zu lesen: So spricht Gott, der Herr: O du Siegel der Vollendung, voller Weisheit und vollkommener Schönheit! In Eden, im Garten Gottes warst du; mit allerlei Edelsteinen warst du bedeckt. Okay: Das mag auch ein wenig übertrieben gewesen sein. Einigen wir uns zunächst darauf, dass der Teufel viele Namen hat. Wir kennen ihn als Satan, Baphomet, Beelzebub, Phosphorus (griechisch: Lichtträger), Lucifer (lateinisch: Lichtbringer), Mephistopheles oder Schaitan (arabisch).
Bis zum 9. Jahrhundert wusste kein Mensch, wie der Teufel wirklich aussieht. Dann begannen sich Mönche in Abteien erstmals ein Bild von ihm zu machen. Bis dahin war der Teufel in seinem Wirken auch noch relativ vorurteilsfrei in den göttlichen Kreislauf eingebunden. Das Göttliche gilt ja als die Ursache allen Lebens. Erst der Mensch brachte das Teuflische ins Spiel. Man fasst das bis heute so zusammen: Gottes Werk und Teufels Beitrag. Gott und Teufel sind ohne einander eben nicht denkbar. Voltaire formulierte das so: „Die Krankheit bestätigt nur die Existenz der Gesundheit.“Bis heute tut man sich leichter, Gott zu definieren, indem man sagt, was er ganz sicher nicht ist. All das rechnete man dann dem Teufel an. Dabei hatte der Teufel seit jeher einen wertvollen Job. Er galt als Sucher und Lichtbringer (Lucifer), war höchstens auf seinen eigenen Vorteil aus. Er war manchmal böse. Aber nie destruktiv. Erich Fromm bezeichnete als die beiden hässlichsten Formen der menschlichen Destruktivität den Sadismus und die Nekrophilie. Der Sadismus ist der Wunsch, andere Menschen völlig zu beherrschen. Nekrophilie ist die Leidenschaft der Vernichtung. Nekrophile töten aus Langeweile, aus Neugier oder innerer Leere. Eine Mischung aus Sadismus und Nekrophilie waren etwa die Kreuzzüge, Genozide und die Inquisition. Da wurden im Namen Gottes Millionen Menschen niedergemetzelt. Wohlgemerkt: Im Namen Gottes! Nicht im Namen des Teufels. Nicht anders ist das heute bei den Gräueltaten des „Islamischen Staats“. Auch die werden im Namen Allahs verübt und nicht im Namen Schaitans. Gottes Werke in der Bibel erinnern auch an vielen Stellen an die „totale Vernichtung“. Die Vernichtung von Sodom und Gomorrha war mehr als eine g’sunde Watsch’n für missratene Menschenkinder und auch die Sintflut wird kaum in das Handbuch für Diplomatie eingehen. Der Teufel eignet sich beim Strafen nur als Handlanger. Dazu meinte Baruch Spinoza im 17. Jahrhundert: „Der Teufel ist derjenige, dem Gott die Sünder übergibt.“Er wird also von Gott nur benutzt. Und wenn wir das hebräische Wort „Satan“übersetzen, dann entpuppt er sich nur als „Ankläger“und „Widersacher“– sonst nichts. Im Buch Hiob ist der Satan sogar Mitglied im Rat Gottes. Auch vor dem Dämon muss sich keiner fürchten. Der war in der griechischen Mythologie der Mittler zwischen Göttern und Menschen. Auf Latein übersetzt bedeutet Dämon übrigens Genius. Dem Teufel ist also nichts Menschliches fremd. Und genau deshalb steht er ja für das Böse. Denn der Mensch ist das einzige Lebewesen, für das die eigene Existenz ein Problem darstellt. Ein Tier lebt und stirbt, ohne sich seines täglich drohenden Todes bewusst zu sein. Der Mensch wiederum hat zeitlebens seinen Tod vor Augen. Und er weiß, dass sein Weg zurück in den Garten Eden auf ewig verbaut bleibt. Auch daran soll der Teufel schuld sein. Dabei ist von ihm im dritten Buch der Genesis mit keinem Wort die Rede. Es war die Schlange, die den Unfrieden stiftete. In der Bibel gilt sie als böse und allwissend. Was eine gute Mischung wäre, um sich sowohl das Gute als auch das Böse untertan zu machen. Indem die Schlange mit dem Teufel gleichgesetzt wurde, hat man ihm auch noch angedichtet, er strebe nach der Weltherrschaft. Aber auch dafür findet sich in der Bibel und erst recht nicht in der Literatur ein Beweis. Ob in Goethes „Mephisto“oder in Byrons „Kain“: Der Teufel ist immer nur an Geschäften interessiert. Wobei er sich stets an die Abmachungen hält. Verschlagen ist immer der Mensch. So ist in Nestroys „Höllenangst“folgerichtig zu lesen: Der Teufel ist überhaupt nicht der Schlechteste, ich lass mich lieber mit ihm als mit manchem Menschen ein. Er ehrt das Alter, seine Großmutter steht in hohem Ansehen bei ihm. Er hält auf’n Handschlag, er erfüllt seine Verträge weit prompter als mancher Schmutzian. Freilich nachher am Verfallstag, da kommt er auch auf’d Minuten, Schlag zwölfe holt’ er sich seine Seel’ und geht wieder schön ordentlich nach Haus in seine Höll’; ’s is’ halt ein Geschäftsmann, wie sich’s gehört. Vielleicht trifft aber auch das Bogart-Theorem ins Schwarze. Es besagt: Der nur gute Mensch ist nicht so gut wie ein wirklich guter Mensch. Es geht also nicht um die individuellen Fähigkeiten, sondern um die Verwendung dieser Fähigkeiten. Lassen Sie uns mit Worten der beiden englischen Poeten Sir Michael Philip Jagger und Keith Richards schließen: „Please allow me to introduce myself: I am a man of wealth and taste ...“Da könnte man fast Sympathie für den Teufel aufbringen.