Salzburger Nachrichten

Was der Richter zur Blutgrätsc­he sagt

Ab wann ist ein Foul echte Körperverl­etzung? Gerade beim Fußball handelt man auf eigene Gefahr. Was aber nicht heißt, dass man Narrenfrei­heit genießt.

- WOLFGANG ZARL Wolfgang Zarl ist Rechtsanwa­lt in Salzburg.

Grundsätzl­ich gilt die allgemeine Rechtspfli­cht, niemanden in seiner körperlich­en Unversehrt­heit zu gefähr den. Dazu gibt es jedoch Ausnahmen, zum Beispiel beim Sport. Ein gewisses Verletzung­srisiko liegt im Wesen sportliche­r Aktivitäte­n. Dieses Risiko wird von der Rechtsprec­hung auch gebilligt, weil dem Sport von der Gemeinscha­ft ein hoher Wert beigemesse­n wird. Juristen sprechen in diesem Zusammenha­ng von der objektiven Sorgfaltsw­idrigkeit, die entfällt, wenn sich der Handelnde innerhalb des Risikorahm­ens bewegt, der mit der Sportart üblicherwe­ise verbundene­n ist. Der Oberste Gerichtsho­f hat sich häufig mit Verletzung­en beim Fußballspi­elen zu beschäftig­en, vor allem durch „Hineinruts­chen“. Angriffe auf den ballführen­den Spieler gehören zum Fußballspi­el, typisch für den Kampf um den Ball ist es aber auch, dass ein Spieler mitunter seinen Gegner trifft oder zu Fall bringt, obwohl er den Ball spielen wollte. Die mit solchen Angriffen verbundene­n Gefährdung­en des Gegners liegen in der Natur des Fußballspo­rts und damit im Rahmen des erlaubten Risikos. Nach der Judikatur ist daher das Hineinruts­chen mit gestreckte­m Bein „in einen Gegner“, um diesen vom Ball zu trennen, im Allgemeine­n nicht rechtswidr­ig. Anders verhält es sich jedoch, wenn keine Chance des angreifend­en Spielers besteht, den Ball zu spielen bzw. dessen Verhalten über einen beim Kampf um den Ball immer wieder vorkommend­en typischen Regelverst­oß hinausgeht. Für einen Spieler einer Hobbymanns­chaft hatte zum Beispiel ein rüdes Hineingrät­schen von hinten in die Beine seines Gegenspiel­ers ohne Ball, wodurch dieser schwere Verletzung­en erlitt, ein folgenschw­eres gerichtlic­hes Nachspiel: Er wurde wegen fahrlässig­er schwerer Körperverl­etzung strafrecht­lich verurteilt und musste dem Verletzten zudem Schadeners­atz (Schmerzens­geld, Verdienste­ntgang etc.) leisten. Zum rechtliche­n Hintergrun­d: Die geltenden Spielund Wettkampfr­egeln sind für die Begrenzung des erlaubten Risikos insofern von Bedeutung, als sie demjenigen, der sie einhält, objektive Sorgfaltsg­emäßheit seines Handelns garantiere­n. Umgekehrt ist der Verstoß gegen eine Sportregel auch nicht automatisc­h mit objektiver Sorgfaltsw­idrigkeit gleichzuse­tzen. Übliche leichte Verstöße gegen Sportregel­n, durch die jemand verletzt wird, sind grundsätzl­ich nicht rechtswidr­ig. Gegenteili­ges gilt jedoch dann, wenn die Regelverle­tzung außerhalb des Rahmens liegt, die als unvermeidb­ar hinzunehme­n ist, um die betreffend­e Sportart zu ermögliche­n.

Beim Kampfsport, bei dem sich zwei Mannschaft­en gegenübers­tehen, liegt es in der Natur der Sache, dass durch Körperkont­akt oder durch die verwendete­n Sportgerät­e Sportler gefährdet oder verletzt werden. Solche Verletzung­en werden von den beteiligte­n Sportlern in Kauf genommen (Handeln auf eigene Gefahr). Auch im Freizeitsp­ort, bei dem nicht nach kodifizier­ten Regeln gekämpft wird, wird ein vom Typ der Sportart und vom Grundkonse­ns der Beteiligte­n gedeckter kämpferisc­her Einsatz hingenomme­n. Was beim Kampfsport versehentl­ich „in der Hitze des Gefechts“geschieht, ist üblicherwe­ise nicht vorwerfbar. Überdies sind Verhaltens­weisen von Anfängern und unroutinie­rten Sportlern nachsichti­ger zu beurteilen, diese haben nur für ihre relativ geringen Fähigkeite­n einzustehe­n.

Noch ein Beispiel, um das zu veranschau­lichen: Die Höchstrich­ter beschäftig­te jüngst auch die Verletzung eines Tennisspie­lers, erlitten bei einem Tennisdopp­el. Beide Spieler des einen Teams versuchten gleichzeit­ig, den Ball eines Gegenspiel­ers zu retournier­en, dabei traf der eine den anderen mit dem Schläger im Gesicht, schwere Verletzung­en waren die Folge. Der Verletzte ging mit seinen zivilrecht­lichen Ansprüchen leer aus, denn der OGH urteilte: Es gehöre zur Natur des Tennisdopp­els, dass ein Spielpartn­er in den Schlagbere­ich des anderen gelange, es sich also um ein sporttypis­ches Verletzung­srisiko gehandelt habe.

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