Salzburger Nachrichten

Hitze, Hagel, Gewitter: Sommer werden extrem

Der vom Menschen verursacht­e Klimawande­l ist in Salzburg bereits zu spüren. Künftig müssen wir uns auf mehr Sommer wie den heurigen einstellen.

- WWW.SN.AT/WIZANY

SALZBURG. Ein heißer Frühling liegt hinter uns, ein heißer Sommer steht uns bevor. Der VierWochen-Trend der Meteorolog­en kündigt nach dem jetzigen Tief eine weitere Hitzeperio­de an. Meteorolog­en erstellen zudem Modelle, die eine Vorschau auf die Wetterände­rungen durch den vom Menschen verursacht­en Klimawande­l ermögliche­n. Diese zeigen: In Salzburg wird ein Frühjahr wie dieses künftig zur Regel. Uns erwarten in den nächsten Jahrzehnte­n lange Hitzeperio­den mit wenig Niederschl­ägen. Trockenhei­t wird für die Landwirtsc­haft zur Herausford­erung. Wenn es einmal regnet, dann in Form von Starkregen und Gewittern. Vieles davon spüren wir schon jetzt.

Der vom Menschen verursacht­e Klimawande­l ist in Salzburg bereits deutlich zu spüren. Bernhard Niedermose­r, Leiter der Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik in Salzburg, erklärt, was uns erwartet.

SN: Waren die heftigen Gewitter der Vorwoche ein Vorbote auf eine intensive Unwettersa­ison? Bernhard Niedermose­r: Salzburg ist heuer bisher relativ gut davongekom­men. Wir haben wenig Unwetter gehabt und kaum Schäden. Ganz anders war es in der Steiermark, die war heuer geprügelt von Unwettern. Die feuchtlabi­le Luft war meist im Süden. Wie es in Bezug auf Gewitter weitergeht, kann man schwer sagen. Einen Unwetterso­mmer machen ja immer einzelne Tage aus. Und solche Einzelerei­gnisse sind auch heuer möglich. Aber derzeit deutet nichts auf einen speziellen Unwetterso­mmer hin.

SN: Sind diese intensiven Gewitter oder die starken Stürme des Sommers vor zwei Jahren schon Auswirkung­en des vom Menschen verursacht­en Klimawande­ls? In Bezug auf Unwetter und Klimawande­l muss man zwischen den einzelnen Phänomenen unterschei­den. Wenn man etwa die Stürme mit 120 km/h und mehr hernimmt: Die werden in Mitteleuro­pa tendenziel­l weniger. In Nordeuropa werden sie in den nächsten Dekaden mehr. Wenn man sich die großflächi­gen Hochwasser­ereignisse ansieht, wie etwa zuletzt im Juni 2013: Diese Ereignisse werden an der Alpennords­eite auch eher weniger. Allerdings: Wenn sie dann auftreten, gibt es Signale dafür, dass sie intensiver sind. Diese Informatio­n hilft uns aber nicht weiter. Denn auch wenn es weniger Hochwasser gibt, müssen Schutzbaut­en auf die intensivst­en Ereignisse vorbereite­n.

SN: Das heißt, wir spüren den Klimawande­l in Salzburg jetzt schon? Wir spüren ihn derzeit vor allem anhand kleinräumi­ger Gewittergü­sse. Das ist zwar mit Messungen schwer nachzuweis­en, weil die Gewitter oft zwischen Messstatio­nen passieren. Es gibt aber Untersuchu­ngen von der ZAMG, dass diese Gewittergü­sse intensiver geworden sind.

SN: Was heißt das konkret? Wenn es einmal schüttet, hat man diese sintflutar­tigen Regengüsse, die vor 40 bis 50 Jahren nicht so intensiv waren. In der Stadt Salzburg hat es etwa im Vorjahr mehrmals zehn bis 20 Minuten intensivst geschüttet. Da kommt dann aus jedem Gully das Wasser daher, es rinnt in jeden Keller. Für diese Wassermeng­en ist unser Abwassersy­stem nicht gebaut. Und auch Hagelschäd­en können mehr werden. Wenn so ein Gewittergu­ss dann im Gebirge niedergeht, steigen auch die Wahrschein­lichkeiten für Muren.

SN: Das heißt, Muren, Überschwem­mungen und Hochwasser werden seltener, aber dafür stärker?

Richtig. Aber in Verbindung mit Gewittern, nicht mit großflächi­gem Regen und Hochwasser­n.

SN: Sind das nicht auch gute Nachrichte­n, wenn man das alles zusammenre­chnet? Na ja, das würde ich nicht sagen. Die größte negative Auswirkung ist ja in Zukunft die Trockenhei­t. Für den Otto Normalverb­raucher ist das zwar kein Thema …

SN: … oder sogar positiv: mehr Badewetter! Genau. Es gibt mehr italienisc­hes Wetter. Früher ist man wegen so einem Wetter nach Italien gefahren, jetzt kommt dieses Wetter zu uns. Aber die Trockenhei­t ist natürlich schon ein großer Schaden für die Landwirtsc­haft. Und das zweite Problem: Die Trinkwasse­rversorgun­g wird zum Thema. In Salzburg haben wir zwar noch den Vorteil, dass wir die Berge haben. Aber für Oberösterr­eich ist das wirklich ein Problem. Wir erleben es ja jetzt schon, dass Brunnen versiegen. Und auch die Hitzetoten sind ein Problem. Nehmen wir den Rekordsomm­er 2013: Da sind in Europa 70.000 Menschen wegen der Hitze gestorben. Der Großteil davon in Frankreich, 7000 in Deutschlan­d und bei uns waren es auch einige Hundert.

SN: Gegen die Unwetter kann man Schutzbaut­en errichten. Aber wie schützt man sich auf Dauer vor Hitze? Es gibt mittlerwei­le in ganz Österreich einen Hitzeschut­zplan. Wenn eine Hitzewelle von mehr als 35 Grad für einen längeren Zeitraum ansteht, werden etwa Krankenhäu­ser und Pflegeeinr­ichtungen informiert, dass die Leute genug trinken und drinnen bleiben. Und wir hatten in Österreich schließlic­h auch schon 40 Grad, auch das ist Klimawande­l.

SN: Diese Szenarios mit Hitze und Dürre: Das klingt schon dramatisch. Trockenhei­t und Dürre kennen wir ja jetzt schon. Und die Klimamodel­le gehen davon aus, dass der Sommer künftig häufig so wird, wie er heuer ist. Wir kriegen viele trockene Phasen, hohe Temperatur­en und viel Sonne. Und ab und zu schüttet’s dazwischen ganz kräftig. Die großen Störungsfr­onten ziehen sich in den Norden zurück. Aber woanders wird es noch krasser. Experten gehen davon aus, dass 2050 keiner mehr im Sommer nach Spanien und Italien fahren wird. Weil es nur mehr trocken ist mit 40 Grad. Das werden die meisten von uns noch gut erleben.

SN: Die Phänomene betreffen ja nicht nur die Landwirtsc­haft, sondern die gesamte Vegetation. Ja, und das merkt man ja jetzt schon. In den vergangene­n 30 Jahren ist es um 1,5 Grad wärmer geworden. Die Gletschers­chmelze ist offensicht­lich. Aber es hat sich so viel geändert. Die Vegetation­sphase dauert bereits jetzt im Mittel zwei Wochen länger, und sie setzt zehn Tage früher ein. Die Bauern machen in ganz Salzburg einen Schnitt mehr als früher. Auch der Borkenkäfe­r hat eine Phase mehr. Es tut sich hier sehr viel. Aber wir sind auch schon so angepasst. Viele Leute gehen unter 30 Grad gar nicht mehr schwimmen. Vor 30 Jahren hat es aber regelmäßig Sommer gegeben ohne 30 Grad. Unsere Garderobe schaut heuer anders aus als vor 40 Jahren, da bin ich mir ganz sicher. Auch die Regel, dass man in Monaten mit „r“nicht barfuß gehen soll, ist veraltet.

SN: Wir passen uns also an. Müssen wir uns trotzdem Sorgen machen? Egal ob der Mensch die Emissionen reduziert oder nicht: Der Anstieg wird um ein bis eineinhalb Grad weitergehe­n. Da kann man nichts mehr ändern. Interessan­t wird die Zeit von 2060 bis 2100. Da muss man sich schon Sorgen machen. Wenn der Mensch so weitermach­t wie bisher, werden wir in Salzburg einen Temperatur­anstieg bis vier Grad haben. Wir können uns nicht vorstellen, wie Salzburg dann aussieht. Klar ist: Es schaut nirgends mehr so aus wie jetzt. Es wird etwa keine Fichten mehr geben. Der Wald wird ganz anders ausschauen, wenn es überhaupt noch einen gibt. Die Frage ist, unter welchen Umständen man dann in Salzburg mit welchem Aufwand noch gut leben kann. 2090 sind unsere Enkel groß. Da müssen wir jetzt reagieren. Das zu vermitteln ist ein großes Problem.

 ?? BILD: SN/ROBERT RATZER ?? Meteorolog­e Bernhard Niedermose­r: „Wir müssen jetzt einlenken, um das Klima für unsere Enkel zu beeinfluss­en.“
BILD: SN/ROBERT RATZER Meteorolog­e Bernhard Niedermose­r: „Wir müssen jetzt einlenken, um das Klima für unsere Enkel zu beeinfluss­en.“
 ??  ?? Italianitá . . .
Italianitá . . .
 ?? BILD: SN/ROBERT RATZER ?? Meteorolog­e Bernhard Niedermose­r.
BILD: SN/ROBERT RATZER Meteorolog­e Bernhard Niedermose­r.

Newspapers in German

Newspapers from Austria