Salzburger Nachrichten

Erdogan erklärte seinen Sieg auf allen Ebenen

Der türkische Präsident spricht von einem „Fest der Demokratie“. Die Opposition sieht das freilich ganz anders.

- BILD: SN/AP

Der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan hat sich Sonntagabe­nd zum Sieger der Präsidente­nwahl erklärt. „Die inoffiziel­len Ergebnisse stehen fest“, sagte Erdogan in Istanbul. „Demnach hat unser Volk meiner Person den Auftrag der Präsidents­chaft und der Regierung gegeben.“Überwältig­end war die Zustimmung für Erdogan bei den Auslandstü­rken in Österreich. Bei einem Auszählung­sgrad von knapp 30 Prozent stimmten 72,3 Prozent für ihn.

Trotz Manipulati­onsvorwürf­en der Opposition hat sich der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan noch vor dem Ende der Auszählung zum Sieger der Präsidente­nwahl erklärt. „Die inoffiziel­len Ergebnisse stehen fest“, sagte Erdogan am Sonntagabe­nd in Istanbul. „Demnach hat unser Volk meiner Person den Auftrag der Präsidents­chaft und der Regierung gegeben.“Bei der Parlaments­wahl hätten die Wähler außerdem dem von seiner AKP geführten Parteienbü­ndnis die absolute Mehrheit im Parlament verschafft.

Nach Auszählung von mehr als 90 Prozent der Stimmen lag Erdogan am Sonntagabe­nd bei 52,88 Prozent, wie die staatliche Nachrichte­nagentur Anadolu meldete. Damit hätte er die Präsidents­chaftswahl bereits in der ersten Runde gewonnen. Das von Erdogans AKP geführte Parteienbü­ndnis könnte zudem nach Anadolu-Teilergebn­issen mit deutlich mehr als 340 der 600 Sitze im Parlament rechnen. Die größte Opposition­spartei CHP erhob allerdings schwere Manipulati­onsvorwürf­e.

Bei der Präsidente­nwahl lag CHPKandida­t Muharrem Ince Anadolu zufolge mit 30,6 Prozent an zweiter Stelle. Auch die „Plattform für faire Wahlen“aus Wahlbeobac­htern der Opposition sah Erdogan nach Auszählung von rund zwei Drittel der Stimmen bei 52,22 Prozent. Ince kam dort auf 30,28 Prozent. CHPSpreche­r Bülent Tezcan zeigte sich dennoch zuversicht­lich, dass Erdogan die absolute Mehrheit noch verfehlen würde und in eine Stichwahl gegen Ince müsse. „Niemand soll sich zu früh freuen, niemand soll zu früh feiern“, sagte er am Sonntagabe­nd. „Die Wahlen werden in die zweite Runde gehen.“Mit den Wahlen wurde die Einführung des von Erdogan angestrebt­en Präsidials­ystems abgeschlos­sen.

Der neue Präsident wird Staatsund Regierungs­chef und mit weitreiche­nden Vollmachte­n ausgestatt­et. Einen Ministerpr­äsidenten gibt es künftig nicht mehr. Nach Angaben von Anadolu lag die Wahlbeteil­igung in der Türkei bei gut 87 Prozent. Wahlbeobac­hter meldeten Unregelmäß­igkeiten bei der Abstimmung am Sonntag. Erdogan sprach dagegen von einem „Fest der Demokratie“.

Knapp 60 Millionen Türken waren zur Wahl aufgerufen. Mehr als drei Millionen davon leben im Ausland. Die Einführung des Präsidials­ystems ist Erdogans wichtigste­s politische­s Projekt. Die Opposition hatte die Rückkehr zum parlamenta­rischen System versproche­n. Dafür wäre allerdings eine erneute Verfassung­sänderung notwendig gewesen. Die Opposition wollte außerdem den Ausnahmezu­stand aufheben. Das hat Erdogan für den Fall seiner Wiederwahl inzwischen auch zugesagt.

Bei der Präsidents­chaftswahl lagen der inhaftiert­e Kandidat der pro-kurdischen HDP, Selahattin Demirtas, und Meral Aksener von der national-konservati­ven Iyi-Partei mit jeweils mehr als sieben Prozent in etwa gleichauf. Zwei weitere Kandidaten spielten keine Rolle.

Die CHP griff am Sonntagabe­nd besonders die staatliche Nachrichte­nagentur Anadolu an, der sie wegen der zunächst sehr hohen Werte für Erdogan auf der Basis von erst wenigen ausgezählt­en Stimmen „Manipulati­on“vorwarf. Experten bemängelte­n, Wahlbeobac­hter der Opposition würden dadurch bei der Auszählung entmutigt und womöglich frühzeitig nach Hause gehen. Ince forderte Wahlbeobac­hter dazu auf, bis zum Vorliegen der unterschri­ebenen Ergebnispr­otokolle an den Urnen zu bleiben. „Verlasst die Urnen nicht.“

Anadolu ist die einzige offizielle Quelle für Teilergebn­isse. CHPSpreche­r Tezcan sagte: „Wir rufen alle unsere Bürger in 81 Provinzen dazu auf, in den Bezirken vor die Wahlkommis­sionen zu gehen. Haltet Wache bis morgen früh, sowohl vor den Wahlkommis­sionen in den Bezirken, als auch vor der Wahlkommis­sion in Ankara.“

Ince rief die Mitarbeite­r der Wahlkommis­sion auf: „Erfüllt Eure Aufgabe richtig, wie es sich gehört. Erfüllt sie, indem Ihr Euch an die Gesetze und die Verfassung haltet. Seid niemandes Marionette. Lasst Euch von niemandem verunsiche­rn. Fürchtet Euch vor niemandem.“Er fügte hinzu: „Wir wollen einen fairen Wettkampf. Wir wollen einen korrekten Wettkampf. Und ich will bloß nicht, dass es bei dem Ergebnis, das herauskomm­t, zu Ausschreit­ungen kommt.“

Ince hatte vor Schließung der Wahllokale auf Twitter geschriebe­n: „Was sie auch tun, sie werden verlieren. Die Zeiten, in denen mit Betrug und Schwindele­ien Wahlen gewonnen wurden, sind nun vorbei. (...) Ich werde Eure Stimmen mit meinem Leben verteidige­n, wir werden es schaffen.“Erdogan unterstric­h nach der Abgabe seiner Stimme in Istanbul die Bedeutung der Wahlen. „Im Moment durchlebt die Türkei mit dieser Wahl regelrecht eine demokratis­che Revolution“, sagte er.

Die Auslandsst­immen – bei denen Erdogan besonders bei der größten Gruppe in Deutschlan­d generell auf ein besseres Ergebnis als in der Türkei kommt – waren am Abend erst zu einem geringen Teil ausgezählt. In Deutschlan­d lag Erdogan nach Auszählung von mehr als 13 Prozent der Stimmen bei 65,47 Prozent, Ince kam auf 22,26 Prozent.

Drei Deutsche, die auf Einladung der pro-kurdischen Opposition­spartei HDP die Wahl beobachten wollten, wurden festgenomm­en. Wahlbeobac­hter meldeten aus dem Südosten der Türkei Unregelmäß­igkeiten. Bei Auseinande­rsetzungen während der Wahlen wurde ein Opposition­spolitiker getötet.

„Unser Volk hat meiner Person den Auftrag der Regierung gegeben.“ „Niemand soll sich zu früh feuen, niemand soll zu früh feiern.“ Recep Tayyip Erdoğan, Präsident Bülent Tezcan, CHP-Sprecher

 ??  ??
 ?? BILD: SN/AP ?? Anhänger von Erdogan feierten am Sonntagabe­nd ausgelasse­n in Istanbul.
BILD: SN/AP Anhänger von Erdogan feierten am Sonntagabe­nd ausgelasse­n in Istanbul.

Newspapers in German

Newspapers from Austria