Salzburger Nachrichten

Römerbrief, Gottesgnad­entum und die amerikanis­che Verfassung

Scheinheil­ige Politiker in aller Welt missbrauch­en die Bibel, um zu beweisen, was immer ihnen in den Kram passt.

- VIKTOR.HERMANN@SN.AT

Die USA haben zwar die Religionsf­reiheit in ihre Verfassung geschriebe­n, das bedeutet aber nicht, dass Religion keinen großen Einfluss auf die Politik des Landes hätte. Evangelika­le Prediger wirken in viele Bereich des öffentlich­en Lebens hinein, ein Politiker, der nicht regelmäßig zum Gottesdien­st gleichgült­ig welcher Glaubensge­meinschaft geht, hätte keine Chance, je Präsident zu werden.

Das bedingt ein gerüttelt Maß an Scheinheil­igkeit, denn man weiß ja, dass kaum je ein USPräsiden­t tatsächlic­h die Botschaft seiner Religion ernst genug genommen hätte, um sich in der politische­n Praxis daran zu halten. Dennoch missbrauch­en gerade US-Politiker die Bibel gern als unerschöpf­liche Quelle von Zitaten, mit denen sich alles untermauer­n lässt und sehr oft auch das Gegenteil davon.

Jeff Sessions, Justizmini­ster und Vollstreck­er von Donald Trumps Willen, leistete sich ein besonderes Stück Scheinheil­igkeit mithilfe eines Bibelzitat­s. Er zog den Römerbrief des Apostels Paulus heran, um bei der Behandlung illegaler Immigrante­n die Trennung von Eltern und Kindern zu rechtferti­gen. Paulus hatte geschriebe­n, man müsse die Gesetze der Regierung befolgen, denn „die Regierung ist von Gott eingesetzt“.

Sessions’ Benutzung dieses Satzes aus dem Römerbrief zeigt gleich mehrerlei:

Er pickt sich aus der Bibel, was ihm passt, denn nur ein paar Absätze weiter heißt es da: „Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.“Es gibt wohl wenig Böseres, als Kinder gewaltsam von ihren Eltern zu trennen.

Er stellt sich auf eine Stufe mit amerikanis­chen Sklavenhal­tern, die den Römerbrief gern zitierten, um ihre unmenschli­che Praxis zu rechtferti­gen. Aber auch die britischen Royalisten verdammten mit Verweis auf den Römerbrief die Unabhängig­keitsbestr­ebungen jener nordamerik­anischen Kolonien, die am Anfang der Vereinigte­n Staaten von Amerika standen.

Er sieht die „Regierung von Gott eingesetzt“, was nichts anderes ist als das Gottesgnad­entum, mit dem Monarchen in Europa ihre Herrschaft zu begründen pflegten. Nun, das Gottesgnad­entum ist in Europa schon seit einem Jahrhunder­t endgültig abgeschaff­t, wiewohl sich auch hier immer mehr Regierungs­chefs so aufführen, als seien sie nicht nur durch Wahlen, sondern eine „höhere Macht“eingesetzt. In den USA hat es das nie gegeben. Denn dort, und das müsste der Justizmini­ster der USA wissen, wurde immer schon die Regierung „durch das Volk und für das Volk“eingesetzt. Gott, welcher Denominati­on auch immer, hatte bei der Installati­on amerikanis­cher Regierunge­n niemals die Hand im Spiel.

Es ist schon traurig, wenn ein Justizmini­ster nicht einmal die Verfassung seines eigenen Landes kennt. Aber damit passt er ja perfekt zu seinem Herrn und Meister.

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Viktor Hermann

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