Ein Mahl für Männer sowie Frauen
Niederösterreich feiert einen der größten Barockkünstler: „300 Jahre Kremser Schmidt“.
Eine Stadt wie Krems gebiert Kunst und GegenKunst. Eine Auswahl davon trägt den Titel: „Weltberühmt in Krems“. Hochtrabend? Kann ein Städtchen, das eingemeindete Orte wie Gneixendorf, Hollenburg und Stein eingerechnet auf knapp 25.000 Einwohner kommt, Weltberühmtes zeigen? Eine Ausstellung behauptet dies, mit der die Landesgalerie Niederösterreich ein Jahr vor der geplanten Eröffnung ihres Neubaus in Krems ein Lebenszeichen gibt. Was im museumkrems seit Samstag zu sehen ist, hat als Angelpunkt tatsächlich einen weitum Berühmten: Martin Johann Schmidt.
Dieser Barockmaler, der weit über Niederösterreich hinaus – wie für Altäre im Schweizer Sankt Gallen oder im Salzburger Stift St. Peter – gewirkt hat, ist 1718 geboren worden. Das Jubiläum „300 Jahre Kremser Schmidt“wird nun in Niederösterreich weidlich gefeiert, bevor das Belvedere in Wien Ende Oktober nachlegen wird. Stift Seitenstetten im Mostviertel präsentiert dessen Werke in Spezialführungen und öffnet dafür erstmals seit Langem Sommerrefektorium und Maturasaal für Besucher. Das Diözesanmuseum in St. Pölten gibt mit etwa 190 Exponaten einen Überblick über das riesige sakrale Schaffen.
Die im museumkrems gastierende Landesgalerie ergänzt die etwa fünfzig profanen Gemälde – wie Selbstporträts und Mythologisches – um Werke von Künstlern, die wie Gegenpole wirken. Margot Pilz etwa hat 1979 ein Abendmahl feministisch umgedeutet und ein Gemälde des Kremser Schmidt konterkariert, um – wie sie auf dem Foto von posierenden Künstlerinnen vermerkt hat – „Religionsvorstellungen des Patriarchats in Frage zu stellen“.
Der Kremser Schmidt sei „ein erster Künstler-Star im Geiste der Aufklärung“, sagt Christian Bauer, Direktor der Landesgalerie Niederösterreich. „Er hat das Künstlertum als Spitze der Gesellschaft in Krems erfunden.“Er sei als Künstler international tätig gewesen und habe seine Werkstatt als marktorientiertes Unternehmen geführt. Er sei „extrem gläubig“und als Stadtrat für Soziales politisch aktiv gewesen.
„Demgegenüber ist Padhi Frieberger ein Antiheld“, sagt Bauer. Der habe den „Bürgerkünstler“ins Gegenteil verkehrt: Als Pionier der Öko-Bewegung habe er Wiener Arena wie Hainburger Au besetzt. Padhi Frieberger (1931–2016) habe ohne Geld gelebt, „sich dem Markt gesperrt“und jegliches Spießertum boykottiert. Von diesem „in seiner Haltung revolutionären Künstler“ist in der Ausstellung die Skulptur „Scheißbraune Lipizzaner“, eine Collage zum Waldheim-Jahr.
Weitschweifenden Geist bezeugen zwei laut Christian Bauer „unglaublich spannende“gebürtige Kremser: Michael Wutky, eine Generation nach Kremser Schmidt, reiste bis an lebensgefährlich heiße Stellen am Krater des Vesuvs, um in
„Wir spannen einen Bogen über künstlerische Höchstleistungen.“ Christian Bauer, Landesgalerie NÖ
damals spektakulären Gemälden die Lavaströme zu dokumentieren. Josef Maria Eder, von dem Werke in der Albertina oder im New Yorker Metropolitan Museum sind, erfand die chemischen Grundlagen fürs Kino und verbesserte, mit Eduard Valenta, die Bildgebung von Röntgenstrahlen derart, dass Bilder von bis dahin Unsichtbarem entstanden, wie die in Krems ausgestellten, gestochen scharfen „Fische“aus 1896.
Erstaunlich weitblickend, wenngleich in anderen Dimensionen, war auch der Kremser Schmidt. Seinen Gemälden ist abzulesen, dass er die maßgebliche europäische Kunst gekannt hat. Vor allem hat er sich mit Rembrandt befasst und dessen Licht-Schatten-Technik zu neuer Spitze getrieben. In einem Bild wie dem „Ungläubigen Thomas“aus Göttweig – derzeit in St. Pölten – fokussiert er das Thema mit dem, wofür Wolfgang Huber, Direktor des Diözesanmuseums, im Katalog den Begriff „Lichtherd“verwendet. Vor allem in späten Bildern sei „eine zwischen Hell und Dunkel vibrierende Wirkung“, schreibt Wolfgang Huber. Und „die Figuren scheinen fast knochenlos, wie Gebilde aus Licht und Schatten“. Das Erstaunliche: Zur Lichtquelle wird da ein Mensch im Augenblick einer geistigen Wandlung – wie Erkennen, Reue oder Verklärung.
Doch der Kremser Schmidt ist nicht gereist. Nicht einmal eine Venedig-Reise 1746 ist gesichert. Die sechs Jahrzehnte seines Schaffens – er sollte 82 Jahre alt werden – hat er sich kaum aus Stein wegbewegt. Wie aber konnte er in diesem Provinzstädtchen an europäische Kunst und Rembrandt anschließen? Wolfgang Huber führt dies auf folgende Eigenschaften zurück: talentiert, diszipliniert, konsequent. Sein Vater, der Bildhauer Johannes Schmidt, habe ihn früh auf die Baustellen „großer Barockkunst“mitgenommen.
„Er war talentiert, diszipliniert und konsequent.“ Wolfgang Huber, Diözesanmuseum
Zudem habe er die grafischen Kabinette der Klöster von Dürnstein und Göttweig studiert und von der Zusammenarbeit mit anderen profitiert – wie Franz Anton Maulbertsch in Schwechat. Auch die kaiserliche Sammlung in Wien dürfte er gekannt haben.
Martin Johann Schmidt hat also viel abgeschaut, aber sich auch viel erarbeitet. Weit über 1000 Werke haben seine Werkstatt verlassen – Wolfgang Huber zufolge dürfte die bisher offizielle Zahl von rund 1200 „um ein paar Hundert“übertroffen werden. Dafür habe er sich große Routine“und ein schnell einsetzbares Formenrepertoire zugelegt. „Er war ein guter Geschäftsmann“– beim Beschaffen von Aufträgen in nahen wie fernen Klöstern und Kirchen sowie beim Handel mit Druckgrafiken.
Neben den Radierungen ist der Kremser Schmidt in St. Pölten auch als exzellenter Zeichner zu entdecken. „Er hat alle Techniken bravourös beherrscht – Bleistift, Feder, Kreide, Kohle, Pinsellavierung“, sagt Wolfgang Huber. Er habe das Zeichnen für Entwürfe sowie zur weiteren Verwertung seiner Bildideen genützt. Denn: „Sein Zugang war immer malerisch.“
Ausstellungen: „Weltberühmt in Krems – Vom Kremser Schmidt zu Padhi Frieberger“, museumkrems, Krems, bis 28. Oktober. Führungen zu Kremser Schmidt, Stift Seitenstetten, bis 31. Oktober „Out of the dark – Kremser Schmidt. Das Strahlen des Sakralen“, Diözesanmuseum St. Pölten, bis 31. Okt.