Eine Frau fängt Tageslicht ein
Eine Malerin vermag das bloße Licht – ohne Landschaft, ohne Gegenstand – festzuhalten. An ihren Bildern wird deutlich, wie wohlig und zart natürliches Licht auf uns wirkt.
SALZBURG. Wer Morgen, Mittag und Nachmittag nicht in derselben Lichtsuppe verbringen mag, bekommt nun eine Argumentationshilfe gegen jene Mitbewohner oder Kollegen, die jederzeit elektrische Lampen einschalten. Nun beweisen neue Bilder im Salzburger Fotohof, wie angenehm, delikat und abwechslungsreich das Naturlicht einen Tag durchformuliert.
Auf diesen Bildern wird das Tageslicht entblößt. Es wechselt von zartem Rosa in ein leichtes Grau und weiter in mattes Beige. An jedem Tag und zu jeder Jahreszeit sind Längen und Intensitäten dieser Farben anders – einmal sind Phasen klaren Hellblaus länger als sonst; einmal legt sich vor das Rot des Abends noch ein Block von Gelb in jene Bilder, auf denen die Künstlerin Inge Dick das Licht eingefangen hat. Natürliches Licht wandelt sich in Nuancen. Alle Farben sind wie ein Hauch, doch wahrnehmbar.
Warum fängt man Tageslicht ein? Inge Dick sei eigentlich Malerin, erläutert Kurt Kaindl vom Fotohof. Da sie einst mit jenen Fotos unzufrieden gewesen sei, die Fotografen von ihren monochromen Gemälden gemacht hätten, habe sie selbst zur Kamera gegriffen. Einige dieser Fotos von Anfang der 1980er-Jahre sind nun in der wie eine Retrospektive bestückten Ausstellung im Fotohof in Lehen.
Da habe Inge Dick den Wandel des Lichts erkannt, erzählt Kurt Kaindl. So habe sie weiße Blätter ohne Weißabgleich fotografiert, also ohne den Automatismus vieler Kameras, der die Tageslichtfarben so herausfiltert, dass ein weißes Papier auf dem Foto weiß erscheint. Übrigens: Mit dieser Methode trickst Inge Dick zudem unsere Augen und Gehirne aus, denn auch die sorgen unbewusst dafür, dass wir eine weiße Wand im sich wandelnden Tageslicht immer als weiß wahrnehmen. Mit gleicher Absicht hat die Künstlerin auch schwarze Flächen bei jeweils anderem Tageslicht fotografiert – sechs der dabei herausgekommen Polaroids sind derzeit in der Tate Modern in London als einziger österreichischer Beitrag in der Ausstellung „Shape of Light – 100 Years of Photography and Abstract Art“(bis 14. Oktober).
Inge Dick habe viel mit PolaroidKameras fotografiert, schildert Kurt Kaindl. Mit der SX 70 habe sie Langzeitstudien gemacht, etwa die weiße Wand ihres Ateliers oder den Himmel zu jeder Stunde fotografiert und diese Bilder im Zeitraster zusammengesetzt. Um größere Polaroids zu bekommen, habe sie Ende der 90er-Jahre für einige Tage einen Techniker mit einer spezial angefertigten Kamera engagiert. Für noch größere Formate sei sie sogar nach Boston geflogen, um am Sitz von Polaroid drei Tage mit der größten je gebauten Polaroid-Kamera ihre aus Österreich mitgebrachten Gemälde aufzunehmen. Einige dieser Bilder namens „Boston Blue“hängen nun im Fotohof.
Mit 6,6 mal 1,25 Metern noch größer sind die jüngsten Licht-Bilder im Fotohof. Je nach Jahreszeit, in der sie aufgenommen sind, heißen sie „frühlings licht weiss“oder „sommer licht weiss“. Inge Dick habe dafür ihre weiße Studiowand je drei Tage ununterbrochen und ohne Weißabgleich digital gefilmt und Segmente daraus zu einem einzigen Bild belichtet; an einer Leiste sind Uhrzeiten angegeben. Das Ergebnis seien „riesige Bilder, die meditativ wirken“, sagt Kurt Kaindl.
Inge Dick lebt in einem ehemaligen Bauernhof in Innerschwandt, wo man auf und über den Mondsee blickt. „Man kann da gut verstehen, dass sie sich einen Tag hinsetzt und das Licht beobachtet“, sagt Kurt Kaindl.
Hat sie dort gestaunt, dass die Farben von See und Bergen sich ändern, obwohl es immer dasselbe Wasser und derselbe Kalkstein ist? Ihre Bilder sind voll dieses Lichts, doch See, Berg und Welt sind zu subtrahieren. Kurt Kaindl sagt es anders: „Es gibt alle Farben, aber es kommt nie Gegenständliches dabei heraus.“ Ausstellung: