Salzburger Nachrichten

Vergewalti­ger freigelass­en

2016 vergingen sich fünf Männer beim Stierfest in Pamplona an einer 18-Jährigen.

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PAMPLONA. Zwei Wochen vor Beginn der weltberühm­ten Stiertreib­en im nordspanis­chen Pamplona wird die Stadt von einer großen Protestwel­le überrollt. Aber nicht wegen des Stierspekt­akels, das jedes Jahr die Kritik der internatio­nalen Tierschutz­bewegung auf sich zieht. Sondern wegen der Freilassun­g von fünf verurteilt­en Straftäter­n: eine Gruppe junger Männer, die sich in sozialen Netzwerken den Namen „Rudel“gaben und die 2016 während des Stierfeste­s in Pamplona über eine 18-Jährige herfielen. „Nein heißt Nein“, rufen Tausende Frauen auf Pamplonas Rathauspla­tz – dort, wo am 6. Juli wieder die traditione­lle Stierfiest­a eröffnet wird. Ihr „Nein“gilt jenen sexuellen Aggression­en, die in der Vergangenh­eit immer wieder Pamplonas einwöchige­s Volksfest überschatt­eten. Die Tat des „Rudels“ist einer der schlimmste­n Sexangriff­e.

Es geschah am frühen Morgen des 7. Juli 2016. Fünf junge Männer aus Sevilla, alle Mitte 20, vergewalti­gen in einem Hausflur eine 18-jährige Festbesuch­erin aus Madrid. Einer von ihnen filmte mit seinem Handy mit. Später brüsten sie sich mit der Untat in ihrer WhatsApp-Gruppe. Das Land ist geschockt, als herauskomm­t, dass sich unter den Tätern auch ein Berufssold­at und ein Polizist befinden.

Nur wenige Tage später wurden die fünf festgenomm­en. Im April 2018 verurteilt­e sie das Landgerich­t Pamplona zu jeweils neun Jahren Gefängnis. Aber nicht wegen Vergewalti­gung, sondern wegen sexuellen Missbrauch­s. Die Begründung sorgte für Polemik: Das Tribunal aus zwei Richtern und einer Richterin sah auf dem 90 Sekunden dauernden Beweisvide­o keine Gewalt der Männer und keine körperlich­e oder verbale Gegenwehr des Opfers. Die Staatsanwä­ltin hatte derweil keine Zweifel am Tatbestand der Vergewalti­gung und hatte mehr als 20 Jahre Haft für jeden Täter gefordert.

Nach diesem Urteil kam es zu einer ersten landesweit­en Demonstrat­ionswelle. Auch der Prozessver­lauf sorgte für einen Skandal: Die Anwälte der Beschuldig­ten hatten mit Privatdete­ktiven das Leben der vergewalti­gten Frau ausspionie­rt, um ihre Glaubwürdi­gkeit zu erschütter­n. Und um die Verteidigu­ngsbehaupt­ung zu untermauer­n, dass sie aus freien Stücken Sex mit der Gruppe gesucht habe oder eine Mitschuld trage. Eine Einschätzu­ng, die bei den Richtern auf Verständni­s stieß. Deswegen liest man nun auf vielen Protestpla­katen empörter Frauen den an das Opfer gerichtete­n Spruch: „Ich glaube dir!“

Am vergangene­n Freitag geschah dann, was bei vielen Menschen in Spanien das Fass überlaufen ließ: Das Landgerich­t in Pamplona gab dem Antrag der Anwälte statt, das „Rudel“aus der Haft zu entlassen. Sie dürfen zurück in die Freiheit, bis über eine Berufung, die sie gegen ihre Verurteilu­ng einlegten, entschiede­n ist. Da die Gesichter der Vergewalti­ger bekannt seien, bestehe weder Wiederholu­ngs- noch Fluchtgefa­hr, befanden die Richter.

Bei Spaniens neuer feministis­cher Regierung, die aus elf Ministerin­nen, sechs Ministern und dem Chef Pedro Sánchez besteht, kam diese Richterent­scheidung nicht gut an. Regierungs­sprecherin Isabel Celaá zeigte sich entsetzt. Sie kündigte an, dass die sozialisti­sche Regierung mit aller Kraft gegen Diskrimini­erung und sexuelle Gewalt in Spanien kämpfen werde. Celaá: „Die Regierung wird die Frauen dieses Landes beschützen.“

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