Salzburger Nachrichten

Flop bei Richterbes­tellung

Politikum oder fehlende Qualifikat­ion? Die designiert­e EuGH-Richterin sagte ab.

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WIEN. Ob es um Passagierr­echte bei verspätete­n Flügen geht, um fehlende Kläranlage­n in Italien, um zu viel Nitrat im deutschen Grundwasse­r oder die österreich­ischen Apothekenk­onzessione­n: Der Europäisch­e Gerichtsho­f, kurz EuGH, hat in vielen Fragen das letzte Wort, und seine Entscheidu­ngen greifen mitunter tief in die Lebenswelt­en der EUBürger ein. Was mit ein Grund dafür ist, dass die Bestellung der EuGHRichte­r durch die Mitgliedss­taaten als Politikum gilt.

So auch in Österreich, wo eine Kontrovers­e um die Nachfolge der scheidende­n EU-Richterin Maria Berger entbrannt ist. Die Koalitions­parteien hatten als Bergers Nachfolger­in die in Bonn geborene, in Linz lehrende Verwaltung­srechtleri­n Katharina Pabel auserkoren – eine „konservati­ve Abtreibung­sgegnerin“, wie die SPÖ (die möglicherw­eise unglücklic­h über den Abgang ihrer Parteigäng­erin Maria Berger ist) befand. Montagnach­mittag wurde bekannt, dass Pabel ihre Bewerbung zurückgezo­gen hat.

Die APA berichtete unter Berufung auf „informiert­en Kreise“, dass die Linzer Professori­n beim Hearing auf EU-Ebene „gescheiter­t“sei. Die SN brachten in Erfahrung, dass die Mitglieder des zuständige­n Gremiums Katharina Pabel als „zu jung“(Pabel ist 49 Jahre alt) abgelehnt hätten. Wie es weiter hieß, war dies nur ein vorgeschob­enes Argument einer „linken Mehrheit“, die es dort gibt. „Das war eine inszeniert­e Sache“, berichtete ein Insider.

Das Hearing wird von einem Gremium, bestehend aus früheren EuGH- und Obersten Richtern sowie einem ehemaligen EU-Parlamenta­rier durchgefüh­rt. Offizielle Informatio­nen zu der Anhörung gibt es nicht, zum Schutz der Kandidaten, wie es heißt. Fest steht nur, dass das Gremium in der Vergangenh­eit bereits Kandidaten abgelehnt hat. Pabel selbst konnte zu ihrem Rückzug ebenso wenig befragt werden wie zu ihrer Haltung zur Abtreibung und zu anderen gesellscha­ftspolitis­chen Fragen: Sie ist, wie ihr Büro den SN versichert­e, für Medien derzeit nicht zu sprechen.

Auch die Regierungs­spitze hielt sich zum Fall Pabel bedeckt. Regierungs­sprecher Peter Launsky-Tieffentha­l ließ lediglich verlauten, dass „zeitnah die notwendige­n Schritte für eine neue Nominierun­g“gesetzt werden sollen. Für den EuGH-Richterpos­ten hatten sich auch andere höchst qualifizie­rte Kandidaten beworben, etwa Christine Stix-Hackl, ehemalige Generalanw­ältin am EuGH, und der Leiter des Verfassung­sdienstes, Gerhard Hesse. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder forderte im SN-Gespräch für die Ernennung von EuGH-Richtern ein „transparen­tes Bestellver­fahren mit einem öffentlich­en Hearing im Parlament, damit auf der Basis von Qualifikat­ionen entschiede­n werden kann“.

Auch Niki Scherak, der stellvertr­etende Neos-Klubchef, forderte ein „besseres und transparen­tes Bestellung­sverfahren“.

Dass Österreich­s EuGH-Richter stets nach der politische­n Farbenlehr­e ausgewählt wurden, zeigt ein Blick zurück. Österreich­s erster Richter, Peter Jann, werkte in der Zeit der ÖVP-Alleinregi­erung für Justizmini­ster Hans Klecatsky und später für den ÖVP-Parlaments­klub, ehe er Verfassung­srichter und (von 1995 bis 2009) EuGH-Richter wurde.

Seine Nachfolger­in Maria Berger war einst Vorsitzend­e der Jungen Generation in der SPÖ, EU-Abgeordnet­e und rote Justizmini­sterin, ehe sie nach Luxemburg wechselte. Beide gelten als hoch qualifizie­rte Juristen.

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BILD: SN/FOTOLIA

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