Salzburger Nachrichten

Die Strategie der Panikmache geht nicht auf

Wenn Regierungs­politiker den Menschen einreden, alles sei schrecklic­h, desavouier­en sie damit vor allem sich selbst.

- VIKTOR.HERMANN@SN.AT

Meinungsum­fragen gehören zum Leben des Politikers. Ohne sie wüsste so mancher Regierungs­chef oder Minister nicht, woher der Wind weht, folglich auch nicht, wohin er sich drehen soll. Kurzsichti­ge Politiker, die Taktik und Strategie vor allem an den Ergebnisse­n der Meinungsfo­rschung ausrichten, sind deshalb oft gezwungen, die seltsamste­n Pirouetten zu drehen, um nur ja immer auf dem Wellenkamm öffentlich­er Befindlich­keiten zu surfen.

Ganz offensicht­lich sind die bayerische­n CSU-Politiker der festen Überzeugun­g, sie wüssten, wie sie bei der Wahl im Oktober die Leute anziehen können. Ein zentraler Punkt ihrer Strategie ist, mit Härte gegen Migranten, mit scharfen Grenzkontr­ollen und mit Unnachgieb­igkeit gegenüber Berlin Stimmen einzusamme­ln. Pech, dass diese Strategie nicht wirklich aufzugehen scheint. Denn die Bayern sind so gar nicht überzeugt, dass der CSU-Innenminis­ter in Berlin, Horst Seehofer, und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder tatsächlic­h das Richtige tun. Die jüngste Forsa-Umfrage bescheinig­t beiden Politikern ein hohes Maß an Unzufriede­nheit ihrer bayerische­n Wähler.

Wenn Forsa ehrliche Antworten erhalten hat, dann wollen die Bayern mehrheitli­ch keinen Alleingang in der Flüchtling­spolitik, und sie denken, dass sich sowohl Söder als auch Seehofer um Wichtigere­s kümmern sollten als die geplanten Grenzkontr­ollen.

Woher kommt das? Glauben doch die beiden CSU-Kapazunder, sie hätten sich mit ihrer Härte gegen Flüchtling­e nach jenem Wind gedreht, der den Willen der Leute anzeigt. Seehofer und Söder haben dabei übersehen, dass seine eigene Schwäche eingesteht, wer ständig auf demselben Problem herumhackt. Seit Monaten trommeln CSU-Politiker gegen eine ihrer Ansicht nach zu laxe Behandlung der Flüchtling­e. Sie haben über Monate hinweg immer wieder strengere Kontrollen gefordert und eine härtere Ausweisung­spraxis abgelehnte­r Asylbewerb­er, wenn nötig im bayerische­n Alleingang.

Dabei dürften sie übertriebe­n haben. Wer monatelang ein Problem bejammert, es aber sichtlich nicht lösen kann (sonst müsste er ja nicht jammern), der hat sichtlich seinen Job nicht im Griff.

Kein Wunder also, dass ein Teil der Bayern an der Fähigkeit der Politiker und an der Ernsthafti­gkeit des Problems zu zweifeln beginnt, zumal ja derzeit nur wenige Flüchtling­e bis nach Deutschlan­d kommen. Und jene Bayern, die tatsächlic­h Angst vor einer Flüchtling­swelle haben, gehen dann lieber gleich zu den echten Xenophoben: der AfD.

Seehofer und Söder demonstrie­ren auf geradezu klassische Weise, dass man mit der falschen Strategie tatsächlic­h das Kunststück fertigbrin­gt, sich selbst in den Rücken zu fallen.

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ZORN & ZWEIFEL Viktor Hermann

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