Höchstrichter grübeln über Bankomaten
Darf Geldabheben etwas kosten? Darf die Regierung solche Gebühren verbieten? Und was hieße das für die Versorgung mit Bargeld?
WIEN. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) befasst sich erstmals mit dem heißen Thema Bankomatgebühren. Der Anlass für die Einschaltung des Höchstgerichts hört sich extratrocken an: Eine Reihe von Banken begehrt die „Aufhebung näher bezeichneter Bestimmungen des Verbraucherzahlungskontogesetzes – VZKG, BGBl. I 35/2016, idF BGBl. I 158/2017 – als verfassungswidrig“.
Hinter dem spröden Juristendeutsch verbirgt sich potenzieller Sprengstoff – mit Konsequenzen für die flächendeckende Bargeldversorgung im ganzen Land.
Denn das Verbot von Bankomatgebühren werde die landesweite Versorgung mit Bargeld schlechter und teurer machen, argumentiert der auf Bankrecht spezialisierte Anwalt Raimund Bollenberger. Er vertritt die Interessen von 495 beschwerdeführenden Banken und Finanzdienstleistern vor dem VfGH. Für Bollenberger ist die bestehende Rechtslage ein „Eldorado“für Drittanbieter. Sie könnten beliebig Gebühren einheben, für die dann die Banken aufkommen müssten. Das würde immer mehr ausländische Betreiber anlocken, Banken müssten die Mehrkosten auf Kunden abwälzen, letztlich werde es weniger Bankomaten geben, vor allem auf dem Land. Das sei nicht im öffentlichen Interesse.
Den klageführenden Kreditinstituten geht es darum, eine Novelle des VZKG zu kippen, die mit 13. Jänner 2018 in Kraft getreten ist. Sie verbietet Geldinstituten (bis auf eine Ausnahme) das Einheben von Gebühren für Bargeldbehebungen mit Bankomatkarte. Und falls nicht eine Bank, sondern ein Betreiber unabhängiger Geldausgabeautomaten eine Gebühr verrechnet, muss die kontoführende Bank sämtliche Entgelte übernehmen.
Diese Novelle hatte im Herbst 2017 die scheidende SPÖ/ÖVP-Regierung im Parlament beschlossen. Insbesondere dem damaligen Sozialminister Alois Stöger war es ein Anliegen, dass Österreicher von Bankomatgebühren verschont bleiben sollten, wie sie seit Sommer 2016 der Betreiber Euronet einhebt. „Konsumenten sollen nicht für die Behebung ihres Geldes zahlen“, lautete seine Argumentation. Als der Nationalrat am 13. Oktober 2017 die Gesetzesänderung beschloss – zwei Tage vor den Neuwahlen –, sprach Stöger von einem „guten Tag für die Sozialpolitik“.
Die Banken freilich sahen das anders. Die Gesetzesänderung bedeute einen „Vertrag zulasten Dritter“, nämlich der Banken, und verletze das verfassungsmäßig garantierte Recht auf Eigentum. Drittanbieter wie auch Kunden könnten hinsichtlich der Gebühren gleichsam beliebig agieren, ohne dass die Banken darauf Einfluss nehmen könnten. Zudem sehen die Banken mit der Gesetzesnovelle auch das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie sich selbst im Recht auf Erwerbsfreiheit verletzt.
Derzeit sind zwei unabhängige Bankomatanbieter in Österreich aktiv, beide haben ihren Konzernsitz in den USA. Euronet verrechnet seit Sommer 2016 eine Gebühr von 1,95 Euro je Abhebung, First Data kassiert bislang keine Gebühr.
Bereits jetzt sei die Zahl bankbetriebener Bankomaten rückläufig, während jene der von Drittanbietern betriebenen Geldautomaten zunehme, sagt Bankenanwalt Bol- lenberger. Eine eingehende Marktanalyse der Bundeswettbewerbsbehörde bestätigt diesen Trend. Laut Oesterreichischer Nationalbank gibt es landesweit 8769 Bankomaten, davon würden 7364 (84 Prozent) von heimischen Banken betrieben, 1140 von First Data (13 Prozent) und rechnerisch weitere 265 von Euronet mit 3 Prozent Marktanteil. Österreich weist im internationalen Vergleich eine der höchsten Bankomatdichten auf. 94 Prozent der Österreicher beziehen regelmäßig Bargeld aus dem Automaten, zeigt eine Studie der Bank ING-Diba. Demnach liege dieser Anteil in Europa nur in der Türkei höher, nämlich bei 96 Prozent.
Auf eine Entscheidung heißt es warten. Angesichts einer Reihe noch offener Fragen und der weitreichenden Folgen dürfte ein Beschluss der Höchstrichter vermutlich erst im Herbst fallen.
„Urteil ergeht mündlich oder schriftlich.“Brigitte Bierlein, VfGH-Präsidentin