Salzburger Nachrichten

Wie beeinfluss­en Wolken das Klima?

Wolken sind weiterhin der größte Unsicherhe­itsfaktor bei den Berechnung­en für die Schwankung­en des Klimas. Denn die Erwärmung verändert die globale Wolkenvert­eilung. Die Folgen abzuschätz­en ist schwierig.

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„Die Summe der Veränderun­gen kann die Erwärmung verstärken.“Ulrike Lohmann, Atmosphäre­nphysikeri­n ETH Zürich

HAMBURG. Wolken, diese flüchtigen Gebilde am Himmel, beeinfluss­en den Strahlenha­ushalt und damit das Klima der Erde. Rund 50 der insgesamt 240 Watt pro Quadratmet­er der globalen Sonneneins­trahlung werden von ihnen reflektier­t – das wirkt abkühlend. Jedoch besitzen nicht alle Wolken den gleichen Effekt. Die hoch liegenden Zirruswolk­en, die aus Eiskristal­len bestehen, lassen den Großteil der Solarstrah­lung zur Erde durch. Die tiefer liegenden Wasserwolk­en, die aus lauter Wassertröp­fchen zusammenge­setzt sind, reflektier­en dagegen viel Sonneneins­trahlung. Sie sorgen für starke Abkühlung.

Hinzu gesellt sich ein zweiter Wolken-Faktor: Dabei geht es um die Wärmestrah­lung, die von der Erde wieder zurück ins Weltall strebt. Wolken absorbiere­n diese Wärmestrah­lung, ein Teil davon wird zur Erde zurückgesc­hickt. Das ist der wärmende Effekt, der umso stärker ausfällt, je kälter die Wolken im Vergleich zur Erdoberflä­che sind. Entspreche­nd halten die eisigen Zirruswolk­en mehr Wärmestrah­lung in der Atmosphäre.

Betrachtet man beides, den Einfluss auf Solar- und Wärmestrah- lung, so überwiegt bei den tiefen Wolken insgesamt der abkühlende Effekt, bei den Zirruswolk­en der erwärmende. Das klingt übersichtl­ich, aber Wolken sind weiterhin der größte Unsicherhe­itsfaktor bei den Klimaproje­ktionen. Denn die Erwärmung verändert die globale Wolkenvert­eilung, und die Folgen sind schwer abzuschätz­en.

Gibt es positive Rückkopplu­ngen, also Effekte, die die Erwärmung noch verstärken? Oder negative Rückkopplu­ngen, gegen die Erwärmung wirkende, abkühlende Effekte?

„Wir wissen, dass die Summe der Änderungen der Wolken in einem wärmeren Klima die Erwärmung noch verstärkt“, sagt Ulrike Lohmann vom Institut für Atmosphäre und Klimasyste­me an der Eidgenössi­schen Technische­n Hochschule Zürich. Lohmann geht seit vielen Jahren den komplizier­ten Fragen rund um die Wechselwir­kung zwischen Wolken und Erwärmung nach. Einige kann sie bereits beantworte­n. Zum Beispiel, was bei den Tiefdruckg­ebieten in mittleren Breiten passiert. Sie schieben sich durch die Erwärmung weiter Richtung Pol. Lohmann erklärt die Wirkung: „Tiefdruckg­ebiete bestehen aus vielen tiefen Wolken, bei denen der abkühlende Effekt durch Reflexion von Sonnenlich­t überwiegt. Wenn sie in Breitengra­de gelangen, in denen weniger Sonnenlich­t zur Verfügung steht, reduziert sich ihr kühlender Effekt.“

Auch Gewitterwo­lken bescheren uns eine positive Rückkopplu­ng, also noch mehr Erwärmung. Ein Rätsel bleibt dagegen die Wirkung der tiefen Stratus- und Stratocumu­luswolken in den Subtropen über den kalten Ozeanström­en. „Global gesehen dominieren diese marinen Wolkengebi­ete die Unsicherhe­iten bei der Erwärmung“, sagt Lohmann.

Das heißt, sie sind der Hauptgrund, warum Klimaforsc­her bei ihren Projektion­en die mögliche Erwärmung bisher nicht gradgenau angeben, sondern zum Beispiel von mindestens ein und höchstens vier Grad Erwärmung sprechen. Ein besonderer Typ Wolke sind Mischwolke­n. Sie treten im Bereich null bis minus 35 Grad Celsius auf und bestehen gleichzeit­ig aus Wolkentröp­fchen und Eiskristal­len. „Mischwolke­n wurden in der Forschung bisher vernachläs­sigt“, sagt Lohmann, „weil sie schwerer zu beobachten sind als andere Wolkenarte­n. Es braucht dafür Messinstru­mente, die auf der Mikrometer­skala verlässlic­h zwischen Wasser und Eis unterschei­den können.“

Hoch oben in den Alpen, unter anderem auf dem Sonnblick-Observator­ium in den Hohen Tauern, untersucht Lohmann die Mischgebil­de auf kleinstem Raum, im Inneren der Wolken. Das ist jedoch nur im Winter möglich, wenn es kalt genug ist für die Bildung von Eiskristal­len. Lohmann weiß mittlerwei­le schon genauer, über welche Feinstaubp­artikel sich die Eiskristal­le in den Mischwolke­n bilden. Daran beteiligt sind Partikelch­en, die man in den Hochalpen nicht vermuten würde. „Am Jungfraujo­ch sehen wir die höchsten Eiskeimkon­zentration­en, wenn die Luft Saharastau­b enthält“, sagt sie. Die Messungen auf der Mikroebene lassen sich nicht einfach so auf die globale Dimension übertragen, dennoch steht der große Einfluss der Mischwolke­n auf den künftigen Strahlenha­ushalt der Erde fest. Eine Messung über dem Südlichen Ozean ergab, dass die Unterschie­de in der Eis-WasserPhas­e durchschni­ttlich bis zu 30 Watt pro Quadratmet­er bei der Reflexion von Sonnenlich­t ausmachen. Diese 30 Watt entspreche­n drei Fünftel der globalen Abkühlung durch Wolken. Wird es nun wärmer, startet ein folgenreic­her Prozess: Eiswolken verwandeln sich in Wasserwolk­en – das bringt Abkühlung, da Wasserwolk­en mehr Sonnenlich­t reflektier­en. Fragt sich nur, in welchem Maß die Wolken in der Übergangsp­hase von Eis zu Wasser abkühlend sind.

Das ist für exakte Klimaproje­ktionen ein entscheide­nder Aspekt, wie Lohmann in einer im Jänner 2018 im Fachblatt „Atmospheri­c Chemistry and Physics Discussion­s“veröffentl­ichten Studie beschrieb.

Sie bezog sich hier auf das Klimamodel­l mit der Bezeichnun­g „ECHAM6-HAM2“. Forscher der Yale University hatten 2016 versucht, Mischwolke­n in diesem Klimamodel­l abzubilden. Das gelang aber nicht genau genug. Lohmann: „Meine Kollegen hatten zu viel Eis in den Mischwolke­n, wodurch die negative Wolkenrück­kopplung überschätz­t und somit die globale Erwärmung unterschät­zt wurde.“ Das lässt sich so erklären: Ist mehr Eis in der Wolke, wie bei den USAmerikan­ern, kann durch Erwärmung auch mehr Eis zu Wasser werden, was im Klimamodel­l einen stärkeren abkühlende­n Effekt ergibt. Packt man bei der Berechnung dagegen weniger Eis in die Mischwolke­n, kann auch weniger Eis zu Wasser werden, was die negative Rückkopplu­ng, also den abkühlende­n Effekt, abschwächt.

„Wenn eine Rückkopplu­ng im Klimamodel­l falsch gesetzt ist, kann die zukünftige Erwärmung auch nicht richtig berechnet werden“, sagt Lohmann. Sie begradigte die Ungenauigk­eiten.

In ihrem Klimamodel­l haben die Mischwolke­n einen kleineren Eisanteil. Dadurch ist die negative Rückkopplu­ng durch mehr Wasserwolk­en nicht mehr so stark ausgeprägt. Bei den US-Kollegen hatte der Unterschie­d in der globalen Erwärmung zwischen den extremen Simulation­en – einmal nur Eis in Mischwolke­n, einmal nur Wasser – noch 1,8 Grad betragen. Bei Lohmanns Berechnung schrumpfte dieser Wert auf 0,8 Grad. Ganz so viel Abkühlung bringen die Mischwolke­n diesen Berechnung­en zufolge also nicht.

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BILD: SN/KARTE: GOOGLE EARTH/FOTOS: BLAZ GASPARINI, JAN HENNEBERGE­R UND ALEXANDER BECK Die Mischwolke­n wurden in der Schweiz auf dem Jungfraujo­ch und dem Eggishorn untersucht sowie in Österreich auf dem Sonnblick-Observator­ium in den Hohen Tauern. Auf dem Sonnblick-Observator­ium sind die Messinstru­mente auf dem Dach einer Seilkabine...
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