Salzburger Nachrichten

Der raue Ton entspricht der politische­n Landschaft

2015 war Ungarns Premier Viktor Orbán noch allein mit seiner Politik der Abschottun­g. Nun ist sie europäisch­er Mainstream.

- Monika Graf MONIKA.GRAF@SN.AT

Die Politik der EU ist die Summe der Politiken ihrer Mitgliedss­taaten. So deutlich war das schon lang nicht wie in der Debatte über Asyl und Migration, die den EU-Gipfel in Brüssel dominiert. Statt über Solidaritä­t und die Verteilung von Flüchtling­en wird über Plätze außerhalb Europas geredet, wohin im Mittelmeer Gerettete zurückgebr­acht werden sollen, und darüber, wie abgewiesen­e Asylbewerb­er zurückgesc­hickt werden können. Ideen und Wortwahl werden immer drastische­r, die Botschaft ist aber immer gleich: „Versucht es erst gar nicht, nach Europa zu kommen, ihr werdet es nicht schaffen.“

Die politische Landschaft hat sich seit Beginn der Flüchtling­swelle 2015 verändert. In Polen hat die nationalko­nservative Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) die Macht übernommen, in Deutschlan­d ist die AfD zur größten Opposition­spartei aufgestieg­en, und die bayerische CSU gibt in der Koalition den Hardliner in Sachen Migration. In den Niederland­en fährt die Regierung von Premier Mark Rutte einen harten Asylkurs, Österreich­s ÖVP/FPÖ-Koalition sowieso.

Italiens rechtspopu­listische Regierung ist das jüngste Beispiel für den Rechtsruck. Nur Schweden, Portugal, die Slowakei, Rumänien sowie seit Kurzem Spanien werden noch von Sozialdemo­kraten regiert, die aber teilweise auf sehr wackeligen Beinen stehen. Mittlerwei­le ist die Nur-ja-keine-Flüchtling­e-Politik des ungarische­n Premiers Viktor Orbán fast Mainstream. Beim Besuch der österreich­ischen Regierung in Brüssel sagte sogar Kommission­schef Jean-Claude Juncker, was Bundeskanz­ler Sebastian Kurz seit Langem behauptet: Sobald der Außengrenz­schutz funktionie­re, erübrigten sich alle anderen Fragen.

Der Schwenk der EU mag manche schockiere­n und viele traurig machen. Er war aber zu erwarten und ist notwendig, bevor antidemokr­atische Kräfte noch mehr Schaden anrichten. Denn es ist nicht eine höhere (oder niedrigere) Intelligen­z, die in Brüssel entscheide­t, sondern 28 Staats- und Regierungs­chefs.

„Die Völker Europas erwarten von uns, dass wir Entschloss­enheit in unseren Maßnahmen zur Wiederhers­tellung ihres Sicherheit­sgefühls zeigen“, schrieb EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk in seinem Einladungs­brief zum Gipfel. „Die Menschen wollen das nicht, weil sie auf einmal ausländerf­eindlich geworden sind und Mauern gegen den Rest der Welt errichten wollen, sondern weil es die Aufgabe jeder staatliche­n Gewalt ist, das Gesetz durchzuset­zen, sein Territoriu­m und die Grenze zu schützen.“

Man kann nur hoffen, dass er recht behält.

Newspapers in German

Newspapers from Austria