US-Gericht rückt nach rechts
Präsident Donald Trump erhält mit dem Rückzug des Richters Anthony Kennedy die Möglichkeit, Amerikas Verfassungsgericht für Generationen zu prägen.
Ein schöneres Geschenk konnte sich US-Präsident Donald Trump nicht wünschen. Zum Abschluss einer Sitzungsperiode des Verfassungsgerichts, die ihm Siege beim Reisebann und der Einschränkung von Gewerkschaftsund Minderheitsrechten bescherte, erklärte Richter Kennedy nach mehr als drei Jahrzehnten seinen Abschied von der Richterbank.
Mit dem von Ronald Reagan berufenen Juristen aus Sacramento verlasse „ein großartiger Richter den Supreme Court“, sagte Trump lobend über jenen Mann, der die letzte beste Hoffnung des liberalen Amerika gegen einen Durchmarsch der Konservativen im Verfassungsgericht war. Der Republikaner Kennedy galt als „Mitte“des neunköpfigen Gerichts, das seit Jahren kontroverse Fragen mit 5:4-Mehrheit entschied. Während Kennedy meist zuverlässig mit den anderen konservativen Richtern stimmte, fand er sich bei den großen sozialen Streitthemen wie dem Abtreibungsrecht oder der Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften verlässlich aufseiten der liberalen Minderheit wieder.
Trump versprach bei einer Kundgebung in Fargo, North Dakota, umgehend einen Nachfolger für Kennedy Thomas J. Spang berichtet für die SN aus den USA zu suchen. Was der Präsident nicht sagte, ist, dass er auf keinen Fall jemanden mit dessen Unabhängigkeit vorschlagen wird. Denn an der Basis Trumps ist Kennedy wegen seiner politischen Unzuverlässigkeit mehr als unbeliebt.
Der Präsident sagte, er werde jemanden auswählen, der „für die nächsten 40 bis 45 Jahre“das Gericht prägen werde. Dafür will er auf eine Kandidatenliste zurückgreifen, die konservative Aktivisten vor den Präsidentschaftswahlen vorgelegt haben. Darauf stand auch Neil Gorsuch, der Nachfolger des erzkonservativen Richters Antonin Scalia.
Dass Gorsuch auf der Richterbank landete, verdankt er dem republikanischen Senatsführer Mitch McConnell. Dieser hatte über 14 Monate hinweg Anhörungen für Barack Obamas Kandidaten Merrick B. Garland mit dem Argument blockiert, in einem Wahljahr sollten die Wähler mitentscheiden dürfen.
Die Demokraten halten McConnell Scheinheiligkeit vor, nun zu versprechen, Trumps Nachfolgekandidaten für Kennedy vier Monate vor den Kongresswahlen bestätigen zu wollen. Senatorin Kamala Harris aus Kalifornien kündigte an, ihre Partei werde alle Register ziehen, um eine Bestätigung zu verhindern. Damit rückt die Zukunft des Supreme Court ins Zentrum der Zwischenwahlen im November. „Nichts motiviert die Anhänger der Parteien mehr als eine Schlacht ums Verfassungsgericht“, sagt der republikanische Stratege Neil Newhouse. Ganz besonders im Fokus steht der Senat, in dem die Republikaner eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme halten.
Sollte der schwerkranke John McCain nicht zurückkehren, hängt eine Bestätigung an Vizepräsident Mike Pence. Verliert McConnell eine weitere Stimme, benötigte er Unterstützung bei den Demokraten. Selbst wenn es gelänge, eine Abstimmung im Senat vor den Wahlen zu verhindern, stünden die Demokraten vor der fast unlösbaren Aufgabe, 28 der 35 zur Wahl stehenden Senatssitze gewinnen zu müssen. In Trumps Amtszeit könnten zwei weitere liberale Richter ausscheiden: Ruth Bader Ginsburg und Stephen Breyer. Beide sind wie Kennedy über 80 Jahre alt.