Hohn und Spott für den Weltmeister
„Pizza Endstazione“: Das historische Vorrunden-Aus von Deutschland ist für viele ein gefundenes Fressen. Die gescheiterten Weltmeister werden vor allem in sozialen Netzwerken belächelt, beschimpft und beleidigt.
SALZBURG. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Es dauerte nicht lang nach dem 0:2 gegen Südkorea und dem damit verbundenen WM-Aus von Titelverteidiger Deutschland, und das Internet war voll mit lustigen und weniger lustigen Kommentaren, Bildern und Karikaturen. Die Grenzen zwischen feiner Ironie und purem Sarkasmus sind dabei kaum noch zu unterscheiden.
Auch von ausländischen Medien, vor allem aus den Ländern der Fußball-Erzrivalen, gab es viel Häme. So titelte am Donnerstag das britische Boulevardblatt „The Sun“auf Deutsch: „Schadenfreude“. Die „Daily Mail“amüsierte sich: „Gott im Himmel! Deutsche fliegen raus – und in Großbritannien bleibt kein Auge trocken!“In Russland bezog sich „Sovsport“mit der Schlagzeile „From Russia with Löw“auf den James-Bond-Film „From Russia with Love“, der auf Deutsch „Liebesgrüße aus Moskau“heißt. Die italienische Nachrichtenagentur Ansa schrieb „Germania kaputt“. In Serbien, das am selben Abend allerdings ebenfalls ausschied, lästerte der „Kurir“: „Auf geht’s nach Hause, ihr Deutschen! Und nehmt auch den Brych mit.“Der deutsche Schiedsrichter Felix Brych war nach dem 1:2 der Serben gegen die Schweiz im zweiten Gruppenspiel heftig kritisiert worden.
Im beliebten Kurznachrichtenkanal WhatsApp gingen nach dem deutschen Ausscheiden zahlreiche Bildchen herum. Eines zeigte, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel Löw in den Arm nimmt, daneben steht: „Komm – es ist Zeit für uns beide zu gehen!“An der Supermarktkassa wird der Bundestrainer gefragt, ob er Punkte sammelt, und er antwortet missmutig: „Nein.“In einer fingierten Anzeige wird das DFB-Trikot dieser WM „bei Lidl, Aldi und Co.“von 99,95 Euro auf 2,75 Euro reduziert. Die irische Billigfluglinie Ryanair schaltete spontan eine Werbung, fragte „Unerwarteter Abflug?“und antwortete mit dem Wortspiel: „We have Löw fares.“Ein Internet-User zeigte das Stadion in Kasan, in dem Deutschland am Mittwoch verlor, als riesige Kloschüssel, ein anderer schrieb: „Wenn man ganz leise ist und der Wind günstig steht, kann man die Holländer und Italiener lachen hören.“Die beiden Fußballnationen hatten die Qualifikation für Russland verpasst, worüber damals die Deutschen gespottet hatten.
Und natürlich meldete sich auch die gesamte deutsche BesserwisserRiege zu Wort. Jene Männer, die irgendwann einmal sehr erfolgreich waren und heute selbst gern auf dem Stuhl des deutschen Bundestrainers sitzen würden. „Vom ersten Tag an lief fast alles schief, die Mannschaft hat nie funktioniert“, erkannte Lothar Matthäus, der Weltmeister von 1990, in seiner „Bild“-Kolumne. An selber Stelle schrieb der 57-Jährige übrigens zwei Wochen zuvor: „Bei der deutschen Mannschaft mache ich mir trotz der Vorbereitung keine Sorgen: Die Qualität zählt.“Matthäus tippte damals auf einen Finaleinzug des Titelverteidigers.
Andere waren nicht so euphorisch. Bei Thomas Berthold, ebenfalls Champion von 1990, haben die Leistungen der deutschen Vereine zuletzt „schon länger Zweifel an der Spielerqualität aufkommen lassen“. Der 53-Jährige fragt zudem, „ob es sinnvoll war, vor der WM langfristig mit Jogi Löw zu verlängern“. Matthäus erkannte im englischen Boulevardblatt „The Sun“„keine Führung, keine Leidenschaft, keinen Spirit und den falschen Kader“. Der Bundestrainer ist generell eines der beliebtesten Ziele der Experten in ihren Rundumschlägen: „Führung? Persönlichkeit? Mentalität?“, fragte etwa Michael Ballack auf Twitter provozierend und forderte eine „ehrliche Bewertung“. Der Vizeweltmeister von 2002 ist in puncto Löw vorbelastet: Nach einer Verletzung, die ihn um die WM 2010 brachte, wurde er nicht mehr in die DFB-Elf nominiert.
Und auch FIFA-Präsident Gianni Infantino scheint das VorrundenAus von Titelverteidiger Deutschland zu amüsieren. „So ist Fußball“, sagte der Chef des Weltverbands am Donnerstag lächelnd und mit erhobenem Daumen an der Seite von Wladimir Putin im Fußballpark auf dem Roten Platz von Moskau.