1969 Alle schauen auf den Mond
Zum ersten Mal betreten Erdbewohner einen anderen Himmelskörper. Ein unvergessliches Ereignis in der Geschichte der Menschheit. Für den ORF beginnt in diesem Jahr mit dem Farbfernsehen eine neue Ära.
„Es ist eine ungeheure Sensation gewesen, zum ersten Mal Menschen auf dem Mond.“Die Begeisterung von damals über die Mondlandung schwingt auch heute noch unüberhörbar in der Stimme von Hugo Portisch (91) mit. Der legendäre Journalist und Fernsehkommentator war im Hochsommer 1969 eines der Aushängeschilder der ORF-Liveübertragung der Apollo-11-Mission. Mit Peter Nidetzky, Othmar Urban und Herbert Pichler kommentierte Portisch das NASA-Programm und schrieb damit selbst österreichische Fernsehgeschichte.
Von der mehr als 28 Stunden dauernden ORF-Sendung sind nur mehr 19 Minuten im Archiv erhalten. Leider reißt die Übertragung kurz vor dem historischen Moment am 21. Juli 1969 um 3.56 Uhr (MEZ) ab: Genau zu diesem Zeitpunkt macht Neil Armstrong als erster Mensch den ersten Schritt auf einem anderen Himmelskörper. Edwin „Buzz“Aldrin steigt als Zweiter von der Landefähre „Eagle“auf die wüstenartige, von Kratern durchzogene Mondoberfläche. In hüpfenden Bewegungen erkunden die beiden Astronauten den Mond und hissen die amerikanische Fahne. Die Bilder werden in das kollektive Gedächtnis der Menschheit eingehen.
„Es war sehr bewegend zu sehen, wie Menschen auf dem Mond spazieren gehen“, sagt Hugo Portisch. Er spricht von einer Zeitenwende. Die ganze Digitalwelt habe Anschub bekommen durch dieses Ereignis. Er ist zuversichtlich, dass eines Tages auch die Landung auf dem Mars glücken wird, auch wenn er viel weiter entfernt sei als der Mond.
Weltweit sollen sich damals rund 600 Millionen vor den Bildschirmen versammelt haben. Für Österreich nennt ORF-Journalist Andreas Novak die Zahl von knapp drei Millionen Zuschauern. Er ist Mitherausgeber des Buchs „Die Macht der Bilder“über die heimische Fernsehgeschichte. „InfratestZahlen gibt es keine, aber wir gehen davon aus, dass bei diesem Jahrhundertereignis nicht nur jene etwa 1,2 Millionen Österreicher, die damals ein angemeldetes Fernsehgerät besaßen, vor dem Fernseher saßen, sondern natürlich auch deren Familienangehörige und Freunde. Dazu kommen jene, die vor den Auslagen der Elektrogeschäfte die Mondlandung verfolgten.“
Eine unglaubliche Zahl in einer Zeit, in der viele noch keines der riesigen „Kastl“in ihrem Wohnzimmer stehen hatten. Auf den Mond schauten jedenfalls an jenen Tagen im Juli 1969 alle, wenn nicht via Fernsehen, dann über die Zeitungen.
Mondlandungskommentator Herbert Pichler, er starb vor Kurzem im Alter von 96 Jahren, berichtete in einem ORF-Interview von einer Zuschauerquote von 100 Prozent.
Die „Salzburger Nachrichten“gestalteten ihre Titelseite am Tag nach der Mondlandung monumental. Über den riesigen Bildern der Astronauten stand: „ERSTER SCHRITT AUF DEM MOND.“In ihrer ausführlichen Berichterstattung hoben die SN auch die „prächtigen“und „erstaunlich scharfen“Bilder vom Mond hervor. „Die faszinierten Beobachter auf der Erde konnten die Lunauten verfolgen, wie sie sich leichtfüßig wie Tänzer auf der von Gesteinsbrocken bedeckten Ebene des ,Meeres der Stille‘ bewegten. Im Hintergrund strahlte die Mondoberfläche in gleißendem Sonnenlicht.“
Die Zuschauer in Österreich sahen die Liveübertragung der Mondlandung aus dem ORF-Studio in Schwarz-Weiß. „Die Mondbilder waren eine Schwarz-Weiß-Angelegenheit“, sagt Hugo Portisch mit einem Lachen. „Der Mond gibt nicht viel Farbe her.“
Es war die Zeit, in der der ORF schön langsam von Schwarz-Weiß auf Farbe umstellte. Anfang Jänner 1969 startete das „Farbversuchsprogamm“mit der Übertragung des Wiener Neujahrskonzerts. In den SN war von einem „gelungenen Farbstart“und von einer „ausgezeichneten Farbqualität“die Rede. In Farbe konnten auch die Salzburger und Bregenzer Festspiele bewundert werden.
ORF-Journalist Andreas Novak präzisiert: „1969 hat der ORF lediglich rund 30 Stunden pro Woche in Farbe gesendet, da die Umstellung von Schwarz-Weiß auf Farbe recht kostenintensiv war.“Als Grund nennt er die hohen Anschaffungskosten für neue Kameras, Übertragungs- und Aufzeichnungsgeräte, Monitore, Regieplätze und Übertragungswagen. „Die Umstellung, die sich bis 1972 zog, lässt sich kostenmäßig mit mindestens zehn Millionen Schilling beziffern.“
Eine Anekdote von Hugo Portisch dazu: Er habe ein Exklusivinterview mit Prinz Philip in London geführt, „das wollte ich in Farbe“. Das sei von den Sendungsverantwortlichen in Wien abgelehnt worden. „Ich hab mich dann mit dem Bacher (dem damaligen Generalintendanten des ORF, Anm.) verbinden lassen, aber auch der sagte: Nein. Wir haben das so beschlossen. Das ist viel zu teuer. – Unverständlich, aber bitte!“
„Es war sehr bewegend zu sehen, wie Menschen auf dem Mond spazieren gehen.“