„Firmen müssen Fachkräfte selbst
AMS-Chef Siegfried Steinlechner legt zu seinem Abschied den Finger noch einmal in offene Wunden.
Jugendliche, die nur schlecht schreiben und lesen können. Wirte, die sich wenig um ihr Personal kümmern. Arbeitslose Migranten, die AMS-Beraterinnen ablehnen. Sie alle haben Siegfried Steinlechner, der seit 1. 7. 2004 Landesgeschäftsführer des Arbeitsmarktservice (AMS) war, auf Trab gehalten. Jetzt geht der 63-Jährige, dem mit 1. Juli Jacqueline Beyer (42) vom AMS Gmunden nachfolgen wird, in Pension. SN: Die Wirtschaft brummt. Trotzdem gab es Ende Mai fast 16.000 Arbeitslose in Salzburg. Wie kommt das? Steinlechner: Die gute Wirtschaftslage kommt nicht bei allen an. Momentan haben wir aber eine rückläufige Arbeitslosigkeit. Und wir hatten als eine der wenigen Regionen Europas in Konjunkturhochzeiten eine Arbeitslosenquote von nur gut vier Prozent. Und wir liegen auch in Konjunkturtiefs – wie etwa im Jahresschnitt 2015 mit 5,9 Prozent – immer unter sechs Prozent. Umgerechnet waren das rund 15.450 Arbeitslose. In den schlechtesten Monaten April und November 2015 waren wir inklusive Schulungsteilnehmern bei rund 21.000. SN: Erstmals sinkt jetzt seit Jahren auch die Zahl der Arbeitslosen über 50 sowie jene der Langzeitarbeitslosen. Wie lange hält dieser Trend? Bei den Langzeitarbeitslosen (über ein Jahr arbeitslos, Anm.) hatten wir zu Jahresbeginn über 1300 vorgemerkt. Jetzt sind es knapp unter 1200; in früheren Hochphasen waren es nur 300. Arbeitslose über 50 waren Ende Mai 4019 vorgemerkt. Hier dürfte sich der Abwärtstrend fortsetzen – abhängig vom Gesamttrend. Wir rechnen laut den Prognosen, dass es 2019 zu einer Abflachung der Konjunktur kommt. Als erstes wird aber die Kurzzeit-Arbeitslosigkeit steigen. SN: Seit Jahren jammern die Betriebe über einen Fachkräftemangel. Inwieweit ist der auch hausgemacht? Zum Teil. Da gibt es schon eine Mitverantwortung der Firmen. Denn wir hatten noch 2007 im Bundesland 10.700 Lehrlinge in Ausbildung. 2017 waren es nur mehr 8300; das ist ein deutlicher Rückgang. Ein Teil davon ist demografisch bedingt. Und eine größere Zahl der Jugendlichen macht Matura. Die Wirtschaft hat mit der „Lehre mit Matura“reagiert. Aber die Betriebe müssen ein Konjunkturtal nutzen und selbst Fachkräfte ausbilden, damit diese im Konjunkturhoch verfügbar sind. Seit zwei Jahren gibt es daher eine Zunahme beim Lehrstellenangebot. Aber es gibt auch eine große Differenz bei den Erwartungen, was Jugendliche, die eine Lehre starten, können sollen, und ihrem tatsächlichen Entwicklungsstand. SN: Das heißt, auch Sie orten bei vielen Jugendlichen Schwächen beim Lesen, Schreiben und Rechnen? … und auch beim Grüßen, was ja ein wichtiger sozialer Faktor ist. Wobei ich nicht sagen würde, dass Jugendliche das alles nicht mehr können; aber ein Teil kann es nicht mehr in dem Maß, wie es erwartet wird und wie es sein soll. Das ist ein Kernproblem des Outputs unseres Schulsystems.