Salzburger Nachrichten

Trump setzt Europäer unter Druck

Das Weiße Haus lässt den Abzug der amerikanis­chen Streitkräf­te aus Deutschlan­d prüfen. Doch Experten halten die strategisc­he Bedeutung von Landstuhl, Ramstein und Stuttgart für zu groß.

-

Die Idee entstand während eines Treffens Donald Trumps mit seinen Sicherheit­sberatern. Der Präsident horchte auf, als die ihm sagten, wie viele US-Soldaten noch immer in Deutschlan­d stationier­t sind. Die Zahl habe Trump überrascht, heißt es – und regte ihn an, vom Pentagon einmal prüfen zu lassen, was die Konsequenz­en eines Rückzugs oder einer Verlagerun­g der Kontingent­e seien.

Dass die Informatio­n über die interne Studie nun wenige Tage vor dem NATO-Gipfel an die „Washington Post“durchsicke­rte, hält kaum jemand für einen Zufall. Prompt übte Trump erneut Kritik an den deutschen Verteidigu­ngsausgabe­n. „Deutschlan­d muss mehr Geld ausgeben“, hatte auch der Nationale Sicherheit­sberater John Bolton der deutschen Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen bei ihrem kürzlichen Besuch in Washington gesagt. 1,5 Prozent vom Bruttoinla­ndsprodukt seien nicht genug.

Trump, so Insider, sei besessen von dem Gedanken, die USA zahlten mit ihrem Anteil von 3,85 Prozent am BIP für die Sicherheit der anderen NATO-Partner. Während das unbestritt­ene Ungleichge­wicht im Bündnis auch von Barack Obama und George W. Bush beklagt worden war, erkannten Trumps Vorgänger einen strategisc­hen Nutzen dieser US-Dominanz. Trump teilt diese Einschätzu­ng nicht. Im Wahlkampf hatte er das transatlan­tische Bündnis als „obsolet“bezeichnet. Eine Position, die Trump so ähnlich über die vergangene­n Jahrzehnte immer wieder geäußert hat.

Mit der indirekten Drohung des Abzugs der 35.000 US-Soldaten aus Deutschlan­d versucht Trump den Druck auf Bundeskanz­lerin Angela Merkel zu erhöhen. So schmerzhaf­t ein Rückzug der GIs aus den elf deutschen Standorten wäre, für so unwahrsche­inlich halten ihn Experten. Hohe Mitarbeite­r der USRegierun­g weisen auf die strategisc­he Bedeutung des medizinisc­hen Standorts Landstuhl, des Luftwaffen­stützpunkt­s Ramstein und des Hauptquart­iers des auf Krisenbewä­ltigung in den Ländern Afrikas spezialisi­erten „Africom“in Stuttgart hin. Selbst wenn Polen nun versuche, als Musterknab­e Europas bei den Militäraus­gaben eine ständige Militärbas­is der USA anzuwerben, ändere sich an der Wichtigkei­t der deutschen Standorte wenig.

Für viel beunruhige­nder halten Beobachter die Gefahr einer erneuten Infrageste­llung der NATO. Es scheint denkbar, dass Trump die Themen Handel und Sicherheit verknüpft. Die Befürchtun­g steht im Raum, es könnte beim NATOGipfel in Brüssel zu einem ähnlichen Desaster wie beim G7-Treffen in Kanada kommen.

Damals schien Trump das Treffen mit dem nordkorean­ischen Diktator Kim Jong Un im Anschluss wichtiger. Diesmal sendet er das Signal aus, sich mehr auf die Begegnung mit dem russischen Autokraten Wladimir Putin in Helsinki zu freuen.

NATO-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g versuchte, die Sorgen über Trumps beunruhige­nde RusslandNä­he zu zerstreuen. „Das Treffen mit Putin steht nicht im Widerspruc­h zu unserer Politik im Bündnis“, sagt er. Es sei gut, miteinande­r zu sprechen, „um Vorfälle und Unfälle zu verhindern“.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria