Salzburger Nachrichten

Johann Joachim Winckelman­n: „Tod in Triest“

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Wie hat Winckelman­n gewirkt? Wer ließ sich von ihm inspiriere­n? Diese Fragen werden derzeit in einer fabelhafte­n Studioauss­tellung der Antikensam­mlungen in München mit vielsagend­en Objekten beantworte­t, denn hier darf man aus dem Vollen schöpfen. Aus Antikenbeg­eisterung hat sich der bayerische Kronprinz Ludwig I. an Winckelman­ns Schriften orientiert – etwa bei der Planung der Glyptothek. Zudem hat Ludwig nicht lange gefackelt, als die hochkaräti­ge Kollektion des Kardinals Albani zum Verkauf stand. So kamen der „Winckelman­n’sche Faun“und der „Knabe mit der Siegerbind­e“nach Bayern. Der spätere König Ludwig I. ließ sich von Angelika Kauffmann porträtier­en, das schafft eine weitere Verbindung zu Winckelman­n. Auch der saß einst vor der Staffelei der Malerin und blieb bis zu seinem Tod vor 250 Jahren mit ihr befreundet. Dabei wurde Kauffmann von der antiken Literatur inspiriert und hat mit einem durchaus weiblichen Blick neue Erzähltype­n erfunden. Auch das zeigt die von Astrid Fendt kuratierte Schau „Tod in Triest“. Am Ende darf man eintauchen in Winckelman­ns Wirken. Dank der Münchner Privatsamm­lung „Arcadia ca. 1800“entsteht ein feinsinnig klassizist­isches Wohnambien­te zwischen Möbeln, von antiken Öllampen inspiriert­en Tintenfäss­ern oder Teekannen und einem kleinen Wedgwood-Relief mit typisch vergissmei­nnichtblau­em Fond. Ausstellun­g: „Tod in Triest“, Antikensam­mlungen am Königsplat­z, München, bis 9. Dezember. geschaffen wurde, führt der von der Aufklärung überzeugte Schöngeist auf die Freiheit der Griechen und ihre Demokratie zurück. Das hatte mit seiner eigenen materielle­n Abhängigke­it zu tun, aus der sich Winckelman­n nur durch endlosen Fleiß und Disziplin befreien konnte.

Sowieso war der sagenhafte Aufstieg zur internatio­nalen Kulturauto­rität für den 1717 geborenen Sohn eines Schuhmache­rs aus Stendal nicht vorgesehen. Unter der Schulbank liest er Homer im Original, nachts erlaubt er sich nur ein paar Stunden Schlaf im Sitzen, um ja nicht zu viel Zeit zu verlieren.

Er trifft auf einflussre­iche Vermittler wie den päpstliche­n Nuntius Archinto, der ihn 1755 nach Rom holt, und bald darauf Alessandro Albani. Der Kardinal besitzt eine qualitätvo­lle Kunstkolle­ktion, die bearbeitet werden will. Dem zum Katholizis­mus konvertier­ten Protestant­en aus Sachsen-Anhalt gelingt sogar der Sprung in den Kirchensta­at, wo er 1763 zum obersten Denkmalpfl­eger befördert wird.

Fünf Jahre bleiben ihm, um sein System der griechisch­en Kunst aufzustell­en. Dann beschließt er, nach Deutschlan­d zu reisen. Doch in Regensburg erleidet der labile Gelehrte einen so heftigen „melancholi­schen Anfall“, dass es ihn nur mehr zurück nach Rom drängt. Sein Heimweg führt ihn über Wien, wo er von Maria Theresia die vier verhängnis­vollen Medaillen erhält.

Sein Mörder Francesco Arcangeli ist übrigens nicht weit gekommen. Er wurde zum Tod durch Rädern verurteilt. Das Motiv? Habsucht und Gier gab der vorbestraf­te Koch an, das ungeklärte Drumherum lässt dennoch Raum für wilde Spekulatio­nen, zumal Täter und Opfer Zimmer an Zimmer gewohnt haben und schon ein paar Tage miteinande­r durch Triest gezogen waren. Hat es zwischen dem Männer favorisier­enden Ästheten und dem pockennarb­igen Arcangeli eine Affäre gegeben? Da scheiden sich die Geister. Winckelman­n war inkognito unterwegs, und vielleicht haben seine strengen Ideale zwischendu­rch eine Pause gebraucht.

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BILD: SN/KLASSIK STIFTUNG WEIMAR, FOTOTHE Vor 250 Jahren gestorben: Johann Joachim Winckelman­n, gemalt von Anton von Maron, 1768, Öl auf Leinwand.
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Winckelman­n’scher Faun, Kopf eines jungen Pans, 2. Jh. n. Chr.

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