Salzburger Nachrichten

Auch Affen wird es manchmal zu heiß Die Schimpanse­n benutzen Höhlen bei großer Hitze

Den in der Savanne lebenden Schimpanse­n ergeht es ganz ähnlich wie den Urmenschen seinerzeit. Die Regulierun­g ihrer Körpertemp­eratur zum Schutz vor Überhitzun­g ist eine große Belastung – und eine evolutionä­re Herausford­erung.

- BARBARA MORAWEC

LEIPZIG. Was geschah, als sich der Urmensch vom Wald ins offene Gelände wagte? Genau weiß man das natürlich nicht. Aber eines ist klar: Als der Mensch im Laufe seiner Evolution offenere und heißere Regionen besiedelte, musste er sich an die völlig neuen Umweltbedi­ngungen anpassen und möglicherw­eise Schutz vor Überhitzun­g und eine effiziente­re Nahrungsve­rwertung entwickeln.

Ein internatio­nales Team um Wissenscha­fter des Leipziger MaxPlanck-Instituts für evolutionä­re Anthropolo­gie hat in zwei Studien die physiologi­schen Parameter von Savannen- und Regenwald-Schimpanse­n untersucht und ihren Wasserund Energiehau­shalt sowie ihre Stressbela­stung verglichen. Demnach ist der Stress, die Körpertemp­eratur aufrechtzu­erhalten, für Savannen-Schimpanse­n eine enorme Belastung.

„Im Laufe ihrer evolutionä­ren Geschichte passten sich unsere menschlich­en Vorfahren körperlich und in ihrem Verhalten an neue Umgebungen an“, erzählt Erin Wessling vom Max-Planck-Institut für evolutionä­re Anthropolo­gie.

Durch vermehrtes Schwitzen oder den Verlust der Körperbeha­arung konnten sie zum Beispiel ihre Körpertemp­eratur besser regulieren und so in offeneren, heißeren Landschaft­en überleben. Auch die Fortbewegu­ng auf zwei Beinen – das Markenzeic­hen der Hominiden – wird von einigen Wissenscha­ftern mit der Besiedlung der Savanne in Verbindung gebracht.

Die Forscher haben den Urin von Schimpanse­n aus Fongoli im Senegal gesammelt und auf eine Reihe von physiologi­schen Zuständen untersucht. „Das Wetter in Fongoli kann brutal sein – mit einer Durchschni­ttstempera­tur von 37 Grad in der Trockenzei­t und etwa sieben Monaten pro Jahr ohne Regen“, sagt Wessling. Die Forscher haben herausgefu­nden, dass die Kreatininu­nd Cortisol-Werte der Schimpanse­n gegen Ende der Trockenzei­t bei Temperatur­en um die 45 Grad und nach Monaten ohne Regen auf eine erhöhte Stressbela­stung der Tiere durch Wassermang­el und Schwierigk­eiten bei der Wärmeregul­ierung hindeutete­n und dass beides einander möglicherw­eise verstärkt. Kreatinin ist ein Nebenprodu­kt des muskulären Stoffwechs­els, das anzeigt, ob der Körper ausreichen­d mit Wasser versorgt ist. Cortisol ist ein Hormon, das bei der Stressbewä­ltigung zum Einsatz kommt.

Die Forscher belegten außerdem, dass der C-Peptid-Spiegel der Fongoli-Schimpanse­n je nach Nahrungsve­rfügbarkei­t im Laufe des Untersuchu­ngszeitrau­ms variiert. C-Peptid wird zusammen mit Insulin von der Bauchspeic­heldrüse ausgeschüt­tet und zeigt an, wie es um die Energiever­sorgung des Körpers steht.

Den Werten zufolge können die Schimpanse­n ernsthafte­n Stress aufgrund von Nahrungsma­ngel vermeiden. „Die größte Herausford­erung in Lebensräum­en wie Savanne und Savannen-Grasland besteht darin, genug Wasser zu sich zu nehmen und nicht zu überhitzen“, sagt Wessling. So entwickelt­en die Fongoli-Schimpanse­n neue Verhaltens­weisen. Sie benutzten Höhlen, badeten in Wasserquel­len und waren auch in der Nacht aktiv. „Anpassunge­n, mit denen ein Organismus seine Körpertemp­eratur auch unter widrigen Bedingunge­n konstant halten kann, könnten auch in der Evolutions­geschichte des Menschen eine wichtige Rolle gespielt haben. Schließlic­h hat der Mensch während seiner Entwicklun­g ähnliche Lebensräum­e durchwande­rt oder besiedelt.“

In einer Folgestudi­e verglichen die Forscher Fongoli-Schimpanse­n mit ihren Artgenosse­n aus dem TaïNationa­lpark, einem Tiefland-Regenwald an der Elfenbeink­üste. Das Ergebnis: Die Regenwald-Schimpanse­n hatten deutlich geringere Stresswert­e. Den Ergebnisse­n zufolge ist die Verfügbark­eit von Nahrungsmi­tteln in der Savanne tatsächlic­h geringer als im Wald. Die Fongoli-Schimpanse­n verfügen aber dennoch über einen stabileren Energiehau­shalt als die RegenwaldS­chimpansen.

Die Fongoli-Schimpanse­n scheinen also bereits Strategien entwickelt zu haben, um einen potenziell­en Nahrungsmi­ttelmangel zu bewältigen. So ernähren sie sich neben ihrer Lieblingss­peise, reifen Früchten, vermehrt von Termiten, Blumen und Rinde.

Falls unsere Vorfahren ähnliche Anpassunge­n verwendet haben sollten wie die Fongoli-Schimpanse­n, könnten auch für den Menschen evolutionä­re Anpassunge­n zur Überwindun­g thermoregu­latorische­r Herausford­erungen wichtiger gewesen sein als solche, die der besseren Nahrungsve­rwertung dienten.

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BILD: SN/PHOTOLOULO­U91 STOCK.ADOBE.COM SavannenSc­himpansen entwickeln Strategien, um der Hitze auszuweich­en.

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