Der Bürger als Kontrollor und Whistleblower
Die Regierung will eine Plattform für anonyme Hinweise auf Missstände schaffen. Und: Die Bürger sollen den Rechnungshof einschalten können.
SALZBURG. Die alte Republik Venedig hatte Briefkästen der besonderen Art, die sogenannten Löwenmäuler: In die Fassade waren Löwenköpfe gemeißelt, durch deren offene Mäuler die Bürger Beschwerden und Anzeigen aller Art einwerfen konnten – anonym natürlich. Eine ähnliche Einrichtung soll es demnächst auch in Salzburg geben, freilich ein wenig moderner. „Wir entwickeln ein Hinweisgebersystem, das es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, auch in anonymisierter Form Verbesserungsvorschläge, Beschwerden und Anliegen an die Verwaltung einzubringen.“So steht das im Regierungsprogramm. Gemeint ist eine Institution, die als Plattform für „Whistleblower“– das sind Hinweisgeber auf Missstände in der eigenen Firma oder Verwaltung – verstanden werden kann. Die Neos haben das in den Regierungsverhandlungen eingebracht: Stichwort „Transparenz“. Ihr Landessprecher und Chefverhandler Sepp Schellhorn erklärt das so: „Jedem Hinweis muss nachgegangen werden, so wie auch der Staatsanwalt jede anonyme Anzeige prüfen muss.“
Noch ein weiteres Vorhaben haben die Neos in den Koalitionspakt reklamiert: Bürger sollen die Möglichkeit erhalten, den Landesrechnungshof mit einer Prüfung zu beauftragen. „Das ist im Sinne dessen, was wir unter Bürgernähe verstehen“, sagt Schellhorn. Die Schwierigkeiten liegen im Detail. Wo, zum Beispiel, sollen „Whistleblower“-Plattform und Bürger-Kontrollrecht angesiedelt werden? Der Landtag, dessen Aufgabe unter anderem die Kontrolle der Regierung ist, bietet sich an.
Landtagspräsidentin Brigitta Pallauf (ÖVP) kann sich das durchaus vorstellen. Sie sammelt derzeit Informationen über beide Instrumente. So gebe es in Hamburg eine Hinweisgeber-Plattform, sie werde sich über die Erfahrung der Hansestadt erkundigen, sagt Pallauf.
Was das Recht der Bürger auf Rechnungshofkontrolle betrifft, so kann die Steiermark als Vorbild dienen – oder auch nicht. In der Steiermark können zwar zwei Prozent der Wahlberechtigten – das sind derzeit rund 19.000 Menschen – eine Rechnungshofprüfung erzwingen. Doch „das ist eine hohe Latte“, wie der steirische RH-Direktor Heinz Drobesch einräumt. Und das ist wohl auch der Grund dafür, warum es
noch nie zu einer von Bürgern erzwungenen Rechnungshofprüfung gekommen ist. Dabei besteht das Recht der Bürger darauf seit 36 Jahren – so lange es auch den Landesrechnungshof gibt. Salzburgs Landtagspräsidentin Pallauf meint dazu: „Der Wille ist da, das umzusetzen. Aber es darf kein Papiertiger sein.“
Ludwig Hillinger, Direktor des Salzburger Rechnungshofs, kann sich vorstellen, die notwendige Anzahl von Bürgerunterschriften herabzusetzen – auf beispielsweise 5000. Allerdings müsse man dann auch die Zahl der durch Bürger eingebrachten Prüfaufträge beschränken, da es sonst leicht zur Lähmung des Rechnungshofs kommen könne.
Schließlich stellt sich für Hillinger noch die Frage: „Wer formuliert die Anträge? Das ist nämlich sehr heikel.“Jedenfalls dürfe die Formulierung nicht durch Landesregierung oder Landesverwaltung erfolgen, sonst formuliere der Kontrollierte den Kontrollauftrag. Aber: „Derzeit könnten wir gar keine Bürgeraufträge bewältigen, weil wir zu wenige Leute haben“, sagt Hillinger. Das sei mit 16 Leuten – so viele werden ab Herbst im RH-Team sein – nicht möglich. Pallauf bekennt sich zur Schaffung einer Hinweisgeber-Plattform und des Bürgerauftrags an den Rechnungshof. Beide Instrumente müssten aber so ausgestaltet werden, „dass sie funktionieren und nicht nur ein Schlagwort bedienen. Es geht nicht um Aktionismus.“Sie will alle Landtagsparteien im Boot haben. „Der Rechnungshof ist ein Kontrollorgan des Landtags. Daher sollen alle eingebunden werden.“
„Jedem anonymen Hinweis nachgehen.“ Sepp Schellhorn, Neos