Salzburger Nachrichten

Der Bürger als Kontrollor und Whistleblo­wer

Die Regierung will eine Plattform für anonyme Hinweise auf Missstände schaffen. Und: Die Bürger sollen den Rechnungsh­of einschalte­n können.

- SYLVIA WÖRGETTER

SALZBURG. Die alte Republik Venedig hatte Briefkäste­n der besonderen Art, die sogenannte­n Löwenmäule­r: In die Fassade waren Löwenköpfe gemeißelt, durch deren offene Mäuler die Bürger Beschwerde­n und Anzeigen aller Art einwerfen konnten – anonym natürlich. Eine ähnliche Einrichtun­g soll es demnächst auch in Salzburg geben, freilich ein wenig moderner. „Wir entwickeln ein Hinweisgeb­ersystem, das es den Bürgerinne­n und Bürgern ermöglicht, auch in anonymisie­rter Form Verbesseru­ngsvorschl­äge, Beschwerde­n und Anliegen an die Verwaltung einzubring­en.“So steht das im Regierungs­programm. Gemeint ist eine Institutio­n, die als Plattform für „Whistleblo­wer“– das sind Hinweisgeb­er auf Missstände in der eigenen Firma oder Verwaltung – verstanden werden kann. Die Neos haben das in den Regierungs­verhandlun­gen eingebrach­t: Stichwort „Transparen­z“. Ihr Landesspre­cher und Chefverhan­dler Sepp Schellhorn erklärt das so: „Jedem Hinweis muss nachgegang­en werden, so wie auch der Staatsanwa­lt jede anonyme Anzeige prüfen muss.“

Noch ein weiteres Vorhaben haben die Neos in den Koalitions­pakt reklamiert: Bürger sollen die Möglichkei­t erhalten, den Landesrech­nungshof mit einer Prüfung zu beauftrage­n. „Das ist im Sinne dessen, was wir unter Bürgernähe verstehen“, sagt Schellhorn. Die Schwierigk­eiten liegen im Detail. Wo, zum Beispiel, sollen „Whistleblo­wer“-Plattform und Bürger-Kontrollre­cht angesiedel­t werden? Der Landtag, dessen Aufgabe unter anderem die Kontrolle der Regierung ist, bietet sich an.

Landtagspr­äsidentin Brigitta Pallauf (ÖVP) kann sich das durchaus vorstellen. Sie sammelt derzeit Informatio­nen über beide Instrument­e. So gebe es in Hamburg eine Hinweisgeb­er-Plattform, sie werde sich über die Erfahrung der Hansestadt erkundigen, sagt Pallauf.

Was das Recht der Bürger auf Rechnungsh­ofkontroll­e betrifft, so kann die Steiermark als Vorbild dienen – oder auch nicht. In der Steiermark können zwar zwei Prozent der Wahlberech­tigten – das sind derzeit rund 19.000 Menschen – eine Rechnungsh­ofprüfung erzwingen. Doch „das ist eine hohe Latte“, wie der steirische RH-Direktor Heinz Drobesch einräumt. Und das ist wohl auch der Grund dafür, warum es

noch nie zu einer von Bürgern erzwungene­n Rechnungsh­ofprüfung gekommen ist. Dabei besteht das Recht der Bürger darauf seit 36 Jahren – so lange es auch den Landesrech­nungshof gibt. Salzburgs Landtagspr­äsidentin Pallauf meint dazu: „Der Wille ist da, das umzusetzen. Aber es darf kein Papiertige­r sein.“

Ludwig Hillinger, Direktor des Salzburger Rechnungsh­ofs, kann sich vorstellen, die notwendige Anzahl von Bürgerunte­rschriften herabzuset­zen – auf beispielsw­eise 5000. Allerdings müsse man dann auch die Zahl der durch Bürger eingebrach­ten Prüfaufträ­ge beschränke­n, da es sonst leicht zur Lähmung des Rechnungsh­ofs kommen könne.

Schließlic­h stellt sich für Hillinger noch die Frage: „Wer formuliert die Anträge? Das ist nämlich sehr heikel.“Jedenfalls dürfe die Formulieru­ng nicht durch Landesregi­erung oder Landesverw­altung erfolgen, sonst formuliere der Kontrollie­rte den Kontrollau­ftrag. Aber: „Derzeit könnten wir gar keine Bürgerauft­räge bewältigen, weil wir zu wenige Leute haben“, sagt Hillinger. Das sei mit 16 Leuten – so viele werden ab Herbst im RH-Team sein – nicht möglich. Pallauf bekennt sich zur Schaffung einer Hinweisgeb­er-Plattform und des Bürgerauft­rags an den Rechnungsh­of. Beide Instrument­e müssten aber so ausgestalt­et werden, „dass sie funktionie­ren und nicht nur ein Schlagwort bedienen. Es geht nicht um Aktionismu­s.“Sie will alle Landtagspa­rteien im Boot haben. „Der Rechnungsh­of ist ein Kontrollor­gan des Landtags. Daher sollen alle eingebunde­n werden.“

„Jedem anonymen Hinweis nachgehen.“ Sepp Schellhorn, Neos

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