Der Umgang mit der NS-Vergangenheit
„Salzburg ist anders geworden“, rief der Holocaust-Überlebende Marko Feingold beim Verlassen des Gemeinderatssitzungssaals, als er nach seinem beeindruckenden Auftritt von den Salzburger Gemeinderäten/-innen mit Standing Ovations verabschiedet wurde. Mit seiner Feststellung, dass es im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus nur wenige Leute gibt, die ehrlich antworten, diagnostizierte er auch treffend, wie von der Salzburger Gemeindepolitik tatsächlich mit NS-Bewältigung umgegangen wird.
So hatte unser Ex-Bürgermeister noch einen wissenschaftlichen Fachbeirat mit dem Auftrag eingesetzt, bis 2020 (!) Ergebnisse vorzulegen. Die Lage offensichtlich fehleinschätzend, dürfte er der Ansicht gewesen sein, damit jene Störenfriede aus der Salzburger Zivilgesellschaft mundtot machen zu können, die sich seit Jahrzehnten für eine qualifizierte NS-Bewältigung einsetzen. Zwar reklamiert die Bürgerliste Ideen zur NS-Bewältigung für sich, scheut aber nicht davor zurück, die tatsächlichen Ideengeber/-innen zu verschweigen (z. B. die Malerin Konstanze Sailer, Gründerin der digitalen Kunstinitiative Memory Gaps, als Ideengeberin für die Straßenumbenennung der JosefThorak-Straße in Helene-vonTaussig-Straße).
Nun hat der Kulturausschuss auch noch einen Beschluss zur Straßenumbenennung abgelehnt, aber gleichzeitig die Weiterbeauftragung des wissenschaftlichen Fachbeirats befürwortet. Damit wurde wohl bewusst jede politische Entscheidungsmöglichkeit auf die Zeit nach den Gemeinderatswahlen oder überhaupt auf die sprichwörtlich „lange Bank“geschoben. Und dies, obwohl der Fachbeirat bisher ganze acht Mal getagt hat und es in dieser Zeit gerade einmal geschafft hat, drei Kriterien für die Kategorisierung NS-belasteter Personen zu erstellen! Währenddessen wird die für die städtische Salzburger Kultur zuständige Abteilungsvorständin und Vorsitzende eben dieses Fachbeirats nicht müde, vor „Schnellschüssen“in dieser Angelegenheit zu warnen. Dies zeigt ja nur, dass sie – aus welchen persönlichen Ressentiments auch immer – die Existenz des fundierten Sachwissens in der Zivilgesellschaft lieber verschweigt als es zu nutzen.
Auch der nunmehrige städtische Kulturressortchef hatte offensichtlich wenig Freude, als ihm im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung eine Petition durch einen Aktionskünstler überreicht wurde, der sich seit Jahren – mutig und persönliche Nachteile in Kauf nehmend – mit der NS-Bewältigung aktionistisch und künstlerisch auseinandersetzt.
Man darf nun gespannt sein, ob der Salzburger Vizebürgermeister diese u. a. auch von Marko Feingold unterzeichnete Petition jemals wieder aus der Mappe ziehen wird, in welcher er sie vorerst verschwinden hat lassen. Helmut Toporis, 5020 Salzburg