Österreich bringt seinen Goldschatz nach Hause
Ab sofort lagern 140 von insgesamt 280 Tonnen Goldreserven in Goldtresoren der Nationalbank. Anlass für die Verlagerung war ein Rüffel des Rechnungshofs.
Gold hat außer dem hohen materiellen Wert auch eine starke emotionale und psychologische Bedeutung. Deshalb ist es viel mehr als eine reine Finanztransaktion, wenn jetzt die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) in Summe 90 Tonnen seiner physischen Goldreserven aus London zurück nach Wien befördert hat. Der Grund sei nicht etwa die Vorsorge vor Währungsturbulenzen oder möglichen Auswirkungen des britischen EU-Austritts (Brexit) im nächsten Jahr, betont OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny. Es gehe in erster Linie darum, das „Konzentrationsrisiko“durch die Lagerung an einem einzigen Ort zu reduzieren. Tatsächlich hatte Österreich bis zum Jahr 2015 mehr als 80 Prozent seiner gesamten Goldreserven – in Höhe von insgesamt 280 Tonnen und mit zehn Milliarden Euro Wert – in London gelagert. Das hatte wegen der guten Handelbarkeit am wichtigsten Goldumschlagplatz der Welt eine gewisse Berechtigung. Diese Konzentration an einem einzigen Ort brachte der Nationalbank allerdings einen Rüffel des Rechnungshofs ein. Künftig lagern mit 140 Tonnen die Hälfte der heimischen Goldreserven in Wien, 30 Prozent weiter in London und 20 Prozent in der Schweiz.
Gold-Transaktionen seien nicht geplant, sagt der OeNB-Gouverneur. Die Reserven dienten tatsächlich lediglich der Absicherung für den Notfall, etwa zur Stützung der Währung.
An einer Goldallergie dürfen sie nicht leiden, jene Cobra-Einsatzkräfte, die bei Bedarf zum Sondereinsatz im größten Goldspeicher des Landes abkommandiert werden. Denn 90 Tonnen reinen Goldes lagern hier, die größte Menge, die an einem Ort in Österreich anzutreffen ist. Entsprechend streng sind die Sicherheitsvorkehrungen im Goldbunker der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), etwa 15 Meter tief unter der Erde.
Rund 1000 Kameras sichern die Gebäude der Nationalbank, rund um die Uhr wird jede Bewegung registriert. Und im höchst unwahrscheinlichen Fall, dass jemand tatsächlich hier eindringen könnte, „dann würde er nicht mehr herauskommen“, sagt Kurt Pribil, der in der OeNB für die Verwaltung der Goldreserven zuständig ist.
Hier lagert der größte Schatz der Republik. Mannshohe Regalreihen durchziehen den vielleicht 100 Quadratmeter großen Raum, jedes Abteil ist säuberlich beschriftet. Von der Anordnung her könnte man hier auch Weinflaschen, Marmeladegläser oder Bücher aufbewahren. Wäre da nicht dieses verräterische Glänzen und Schimmern, in den Regalen und in den Augen der Betrachter. 7200 Goldbarren zu je 12,5 Kilo lagern hier, jeweils 50 Stück pro Abteil. Beim aktuellen Goldpreis von 1344 US-Dollar je Unze lagert in diesem Raum also ein Vermögen von rund 3,2 Mrd. Euro.
Vor zwei Wochen ist die letzte Tranche zu fünf Tonnen eingetroffen, damit sei das Projekt „Rückführung des Goldes“noch vor der Zeit abgeschlossen, sagt OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny. Ursprünglich war geplant, das neue Goldlagerstellenkonzept bis zum Jahr 2020 abgeschlossen zu haben. Dass es
Ewald Nowotny, Nationalbank-Chef
jetzt schneller gegangen ist, hänge mit einem vorsichtig veranschlagten Zeitplan zusammen, wohl auch mit günstigen Marktkonditionen.
Bis 2015 lagerte der größte Teil der heimischen Goldreserven – 224 von insgesamt 280 Tonnen – in London, dem weltgrößten Handelsplatz für Gold. In den vergangenen Monaten wurden sukzessive 140 Tonnen des österreichischen Goldes aus London abgezogen, 90 Tonnen kamen nach Wien, per Flugzeug und in Tranchen zu fünf Tonnen. Der Rest wandert bis spätes- tens 2020 in die Schweiz, wo der Bestand von sechs auf 56 Tonnen aufgestockt werden soll, das sind 20 Prozent des heimischen Goldes.
Das heißt, ab sofort befindet sich die Hälfte des österreichischen Goldes wieder im Land. 50 Tonnen lagerten ja ständig in Wien, konkret bei der Münze Österreich, das sind knapp 18 Prozent des Gesamtbestandes. Und 84 Tonnen (30 Prozent) bleiben in London, um im Bedarfsfall schnell und einfach auf den internationalen Markt kommen zu können.
Warum die Verlagerung? Mit dem Brexit habe es nichts zu tun, versichert OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny. Man habe vielmehr das frühere „Konzentrationsrisiko“reduziert, das auch der Rechnungshof (RH) kritisiert hatte. Zudem sei man im Gleichklang mit anderen westlichen Notenbanken vorgegangen, auch die Deutsche Bundesbank und die niederländische Notenbank haben ihre Goldbestände im Ausland in ähnlichem Ausmaß in die Heimat gebracht. Nicht zuletzt seien Lagerkosten angefallen. Der Rücktransport der 90 Tonnen kostete samt Versicherung 600.000 Euro. Das entspricht der Höhe der Lagerkosten für fünf bis sechs Jahre.
Anders als in den 2000er-Jahren, als Goldreserven zur Budgetverbesserung verkauft wurden, sind solche Transaktionen kein Thema. Gold diene nur noch zur Absicherung im Notfall, sagt Nowotny. Anders ist das etwa in asiatischen Ländern, die damit bei Bedarf aktiv ihre Währung stützen.
„Gold dient uns heute nur noch zur Absicherung für echte Notfälle.“