Ein Flickenteppich mit schleißigen Stellen
Der deutsche Asylkompromiss löste die dortige Koalitionskrise, nicht aber die Krise der Migrationspolitik.
Die Asyleinigung der deutschen Unionsparteien fügt dem europäischen Flickenteppich, der sich Migrationspolitik nennt, nahtlos einen weiteren Flecken hinzu. Wobei von „nahtlos“in Wahrheit keine Rede sein kann. Der Kompromiss von CDU und CSU weist eine Reihe schleißiger und brüchiger Stellen auf. Zum einen muss noch die dritte Regierungspartei, die SPD, ins Boot geholt werden. Und zum anderen handelt es sich um eine Einigung zulasten Dritter, nämlich Österreichs. Gleich zwei Mal in dem drei Punkte umfassenden deutschen Deal ist die Rede von zu schaffenden Vereinbarungen „mit der Republik Österreich“. Was den Schönheitsfehler hat, dass mit der Republik Österreich noch niemand geredet hat, weshalb die Vereinbarungen in den Sternen stehen.
Und überhaupt: Was heißt „Transitzentren“, in die Asylbewerber geschafft werden sollen, „für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind“? Will man die Asylbewerber dort einsperren? Das dürfte nicht nur an menschlichen, sondern auch an rechtlichen Erwägungen scheitern. Doch erstaunlicherweise haben sich auch die EU-Staats- und Regierungschefs vergangene Woche auf „geschlossene Zentren“geeinigt, ohne abzuwarten, was Verfassungsrechtler und der EuGH dazu sagen. Und was passiert, wenn es zu der unter Punkt drei in Aussicht gestellten „Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze“kommt? Dann müsste Österreich umgehend die Kontrolle an seinen Süd- und Ostgrenzen hochfahren, und der Traum vom freien Europa wäre ausgeträumt. Und warum beschimpft ganz Europa Herrn Trump wegen seiner Mauer zu Mexiko, wo doch die europäische Politik das gleiche Ziel hat, nämlich eine Mauer durchs Mittelmeer?
Immer noch doktert der Kontinent mit operativen Maßnahmen herum, die notwendig sind, aber eine grundlegende Reform des Asylrechts (Dublin!) nicht ersetzen können. Immer noch versucht dieser Kontinent, eine Einwanderungswelle mit den Mitteln des Asylrechts zu bewältigen. Immer noch, und trotz aller gegenteiligen Beteuerungen, bedeutet die Rettung aus dem Mittelmeer die Fahrkarte nach Europa. Was human aussieht, aber das Gegenteil ist, denn es verlockt die Menschen dazu, sich unter Gefährdung ihres Lebens auf seeuntüchtigen Booten ins offene Meer zu wagen – irregeleitet von den Versprechungen der Schlepper, dass schon rechtzeitig ein Rettungsschiff kommen wird. Der deutsche Kompromiss löste möglicherweise die dortige Koalitionskrise, nicht aber die Krise der Migrationspolitik.