Regierung setzt ihre Pläne um
Von Arbeitszeiten bis zum Familienbonus: ÖVP und FPÖ setzen etliche Kernpunkte ihres Regierungsprogramms nun um, trotz vieler warnender Stimmen.
WIEN. Die Regierung macht Tempo. Etliche zentrale Wahlversprechen der ÖVP-FPÖ-Koalition werden bei der heute beginnenden Sitzung des Nationalrats umgesetzt, auch wenn etliche davon von der Opposition skeptisch gesehen werden. Das Land bekommt dadurch ein neues Gesicht. Arbeitszeit: Das derzeit umstrittenste Thema ist das neue Arbeitszeitgesetz. Dieses sieht vor, die tägliche Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden und die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 60 Stunden zu erhöhen. Die elfte und zwölfte Stunde kann die Firma allerdings nicht mehr anordnen, sondern sie können vom Arbeitnehmer nur freiwillig gemacht werden. Während die Unternehmer und ihre Vertreter, die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung, die neuen Arbeitszeiten begrüßen, weil damit flexibler gearbeitet werden kann, laufen die Gewerkschaften Sturm. Sie fürchten, dass Überstundenzuschläge verloren gehen, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie leidet und dass dadurch die Gesundheit der Arbeitnehmer in Mitleidenschaft gezogen wird. Darauf wiesen am Dienstag auch noch einmal zahlreiche Mediziner hin. Und sie verweisen darauf, dass es dazu eine gesicherte Datenlage gibt: Menschen, die mehr als 55 Stunden pro Woche arbeiten, haben ein um 40 Prozent erhöhtes Risiko, binnen zehn Jahren an Vorhofflimmern zu erkranken, das wiederum als bedeutendste Ursache für Schlaganfälle gilt. Das ergab im Jahr 2017 eine finnisch-schwedische Untersuchung. Familienbonus: Auch der Familienbonus ist ein Vorzeigeprojekt der Regierung. Ab 1. Jänner 2019 gibt es einen Absetzbetrag von bis zu 1500 Euro pro Kind und Jahr, wenn ausreichend Einkommensteuer bezahlt wurde. Bei Familien mit Jugendlichen über 18 Jahre beträgt die Entlastung bis zu 500 Euro im Jahr, solange Familienbeihilfe bezogen wird. Für gering verdienende Alleinerzieher und -verdiener ist ein Kindermehrbetrag von zumindest 250 Euro pro Kind vorgesehen. Die Regierung bezeichnet diese Steuersenkung als eine der größten finanziellen Entlastungsaktionen für Familien seit Langem. Die SPÖ und die Liste Pilz kritisieren vor allem, dass Geringverdiener und Mindestsicherungsbezieher davon überhaupt nicht profitierten, gerade hier sei aber das Armutsrisiko am größten. Von einer Senkung der Lohn- und Einkommensteuer könnten nur jene profitieren, die auch Steuern zahlten, argumentiert hingegen die Regierung. Und auch das seien zum Großteil keine Großverdiener. Ab 1700 Euro brutto kann der Absetz- betrag für ein Kind vollständig ausgenutzt werden. Weniger Gesetze: Rund 2450 nicht mehr benötigte Gesetze und Verordnungen sollen ab 2019 aus dem Rechtsbestand gestrichen werden. Konkret geht es um Bestimmungen, die vor dem 1. Jänner 2000 kundgemacht wurden und nach Ansicht der jeweils zuständigen Ministerien obsolet geworden sind. Das sind rund 38 Prozent der Gesetze und Verordnungen aus dieser Periode. Geringere Verwaltungsstrafe: Beraten statt strafen lautet künftig die Devise im Verwaltungsstrafrecht. Ab dem Jahr 2019 sollen bei weniger gravierenden Übertretungen Abmahnungen und Belehrungen Vorrang haben. Damit müssten etwa Betriebe in Zukunft bei geringfügigen Verwaltungsübertretungen erst im Wiederholungsfall Strafe zahlen. Kritiker wie die Stadt Wien befürchten, dass es dadurch schwerer werden könnte, etwa Alkoholverbote zu überprüfen oder auch das Rauchverbot für unter 18-Jährige.