Salzburger Nachrichten

„Ein Unfallort ist ein Tatort“

Die beginnende Urlaubsrei­sezeit fordert auch die Verkehrsun­fallkomman­dos der Polizei. Die SN haben sich in Wien bei jenen umgesehen, die nach Unfällen Spuren sichern.

- Martin Kramser, Chefinspek­tor

„Wann immer eine Verletzung gemeldet wird, werden wir angeforder­t.“

Maßband, Kreide, Polizeikel­le: Wenn Martin Kramser die Tür zum sogenannte­n Rüstteil am Heck seines Einsatzfah­rzeugs öffnet, sind alle Hilfsmitte­l griffberei­t. Seit 2010 leitet er das Verkehrsun­fallkomman­do (VUK), das es seit mehr als 65 Jahren in Wien gibt. Sein Team mit 58 Beamten ist im Schichtbet­rieb rund um die Uhr im Einsatz – jeweils zu zweit in einem der neun Fahrzeuge. Sie rücken an, sobald es bei einem Unfall auf der Straße, mit U-Bahnen, Zügen oder Schiffen auf der Donau zu einem Personensc­haden gekommen ist. „Ob es um einen verrissene­n Nacken, eine schwere Verletzung oder sogar Tote geht, ist Nebensache. Wann immer eine Verletzung gemeldet wird, werden wir angeforder­t. Denn ein Unfallort ist ein Tatort“, sagte Kramser bei einem Presseterm­in am Dienstagvo­rmittag, bei dem er seine Arbeit vorstellte.

Der Funkspruch ist das Startzeich­en für die Polizisten. Vom Stützpunkt in der Roßauer Kaserne rücken sie zum Unfallort aus. Zwei bis drei Stunden dauert die Arbeit bei einem kleineren Ereignis, „bei einem richtig großen können es schon sieben oder acht Stunden werden“, erklärt Kramser. Die Hauptaufga­be der Einsatzkrä­fte, die rund 80 Prozent der Unfälle mit Verletzten bearbeiten: alle Arten von Spuren sichern sowie Zeugen vernehmen, damit bei Versicheru­ngen und vor Gericht mit diesen Fakten gearbeitet werden kann. Das machen sie teils mit altbewährt­en Utensilien wie eben mit der Kreide oder einem Markierspr­ay, einer Einweg-Pinzette (um zu vermeiden, dass Beweise verunreini­gt werden) und einer leistungss­tarken Fotokamera.

Außerdem zeichnen sie die Umrisse der am Unfall beteilig- ten Menschen und Fahrzeuge auf die Straßen, vermessen Distanzen und tragen sie in ihr System ein. Das Bild, das sich vor Ort bietet, wird in Wien noch mit der Hand skizziert – zuerst mit Bleistift und dann, für die vorzeigbar­e Version, akkurat mit Tinte. „Ein digitales System soll im Herbst kommen, derzeit testen wir noch“, sagt Kramser und zeigt ein paar herkömmlic­he Zeichnunge­n, die maßstabsge­treu gefertigt und mit Vektoren sowie Abstandsbe­zeichnunge­n versehen sind.

Was während oder nach einem Einsatz noch an Büroarbeit zu machen ist, das kann auch im Einsatzfah­rzeug erledigt werden. Laptop, Drucker und sogar ein Kopierer sind mit an Bord. Der tragbare Computer ist mit dem Polizeisys­tem verbunden. Unfalldate­n können so direkt eingespeis­t werden.

An ein paar schwere Unfälle erinnert sich Kramser nur widerwilli­g zurück. Zum Beispiel an solche, bei denen Kinder oder junge Leute tödlich verunglück­t sind. Ob es für solche Fälle Supervisio­n gibt? „Ja, aber den meisten Kollegen ist es lieber, sich untereinan­der auszutausc­hen.“Dann räumt er mit einem Vorurteil auf: „Wir sind nicht alle harte Männer und Frauen. Wenn wir zu Einsätzen kommen, ist es oft tragisch. Und manchmal müssen wir Emotionen auch zulassen.“Schauplatz­wechsel nach Salzburg. Dort berichtet Kontrollin­spektor Thomas Köberl den SN, dass es nur mehr in der Landeshaup­tstadt ein Verkehrsun­fallkom-

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Platz Was ist: allerdings Gaffer, die höchst die Arbeit fehl der am Polizei, wehrleute Ärzte, im Sanitäter schlimmste­n oder Feuer- Fall auch noch behindern. Kramser: „Wer gern sein Essen fotografie­rt, Beweissich­erung. Unfällen muss nicht tun. dasselbe Da geht bei es um schweren die Intimsphär­e und um Menschenle­ben und nicht darum, vermeintli­che Sensatione­n im Internet zu posten."

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BILD: SN/HESSENBERG­ER Martin Kramser vor einem der neun Einsatzwag­en.

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