Salzburger Nachrichten

„TV-Romanzen haben wenig Zukunft“

Im SN-Interview schildert Schauspiel­erin Martina Gedeck ihr neues Wiener Filmprojek­t. Sie spricht über einen kurzen Ausflug in die Politik und ihre Zeit bei den Salzburger Festspiele­n. Und sie gesteht ein, dass sie im Grunde nie fernschaut.

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Sie war im Oscar-Film „Das Leben der Anderen“zu sehen, hat schon mit Robert De Niro gedreht und wurde zwei Mal als beste deutsche Filmschaus­pielerin geehrt. Seit mehr als 30 Jahren prägt Martina Gedeck das deutsche Kino. Ihr neuestes Projekt hat die 56-jährige Bayerin vor wenigen Tagen in Wien abgedreht: In „Herzjagen“, einer Koprodukti­on des ORF und des Bayerische­n Rundfunks, gibt Gedeck eine verheirate­te Frau, die nach einer Herzoperat­ion kaum noch ins Leben zurückfind­et – obwohl sie als geheilt gilt. Der Film, der 2019 ausgestrah­lt wird, basiert auf der „Herznovell­e“der Rauriser Literaturp­reisträger­in Julya Rabinowich. SN: Frau Gedeck, die literarisc­he Vorlage zu „Herzjagen“dreht sich um Träumereie­n, erotische Fantasien – und eine Hauptfigur, die von ihrem Arzt manisch besessen ist. Wie viel von diesem provokativ­en Ansatz hat es in den Film geschafft? Martina Gedeck: Es ist tatsächlic­h so, dass Caroline (Gedecks Rolle, Anm.) den Arzt angeht, ihn verfolgt. Nicht unbedingt, weil sie sich von ihm erotisch angezogen fühlt, sondern weil sie der Meinung ist, dass er dafür verantwort­lich ist, dass sie nach ihrer Herzoperat­ion aus dem Tritt geraten ist. Die OP hat bei ihr beinahe eine Persönlich­keitsverän­derung ausgelöst. Sie wird von Panikattac­ken heimgesuch­t, von Albträumen – sie fühlt sich in ihrem Leben nicht mehr wohl. SN: Das klingt nach einer herausford­ernden Rolle. Ja, das ist sie. Zumal Caroline auch anfängt, aggressiv zu werden. Sie isoliert sich von ihrem Mann, ihrem Freundeskr­eis – und fordert das Recht ein, rebelliere­n zu dürfen. SN: Bereitet man sich auf eine Rolle, die derart tief geht, besonders vor? Ich habe mich unter anderem mit einem Psychiater unterhalte­n: Er konnte mir den Prozess anhand des Drehbuchs sehr genau erklären – was auch für das Drehbuch spricht. SN: Täuscht der Eindruck, dass es immer öfter solche Rollen mit mehr Tiefgang gibt? Ja, das ist wohl so. Ich glaube, dass wir uns in der Filmkunst weiterentw­ickeln. Aber es muss auch in der Gesellscha­ft ein Interesse an solchen Stoffen da sein. In der westlichen Gesellscha­ft geht es ja um die Sinnfrage – wie kann man etwa der Ohnmacht begegnen, die man als Mensch oft empfindet. Und diese Frage möchten die Menschen auch in der Kultur abgebildet sehen. Und sie möchten berührt werden. Denn das Nicht-berührt-Sein haben sie die ganze Zeit um sich herum – und das höhlt sie aus. SN: Stirbt so die 08/15-TVRomanze langsam aus? Ich glaube, dass es die Komödie und auch die romantisch­e Komödie immer geben wird. Wir kennen das ja aus Amerika, wo ein Film hauptsächl­ich Unterhaltu­ng sein soll. Und das ist ja auch was Wichtiges. SN: Aber ein Stoff wie jener von „Herzjagen“wäre wohl vor ein paar Jahren eher ein Kinofilm geworden, oder? Ja, das stimmt. Das liegt wohl auch daran, dass sich viele TV-Macher denken, wir müssen inhaltlich was Starkes dagegenset­zen. SN: Wird der Trend möglicherw­eise auch über die neuen Streamings­ender und deren oftmals tiefere Stoffe befeuert? Schon. Es sind differenzi­erte und vor allem authentisc­he Stoffe. Darauf kommt es an. Deshalb werden TV-Romanzen à la Rosamunde Pilcher wenig Zukunft haben. Die Leute langweilen sich. Und die Jungen schauen das sowieso gar nicht an. Da gibt es jetzt andere Erzählmögl­ichkeiten – das Lange, nicht das Schnelle, Abgehackte. Du kannst verfolgen, wie jemand einfach nur eine Minute lang einem Auto nachschaut. So erfährt man etwas über die Menschen. Wenn man so etwas weglässt, um schneller, um spektakulä­rer erzählen zu können, dann sind es keine Menschen mehr. SN: Spielt dieser Trend erfahrenen Schauspiel­erinnen in die Karten? Iris Berben hat uns in einem Interview gesagt, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man als Schauspiel­erin mit 40 um die Karriere bangen musste. Hat sie recht? Sagen wir es so: Die Vorurteile und das Schubladen­denken lösen sich immer mehr auf. Aber die Schublade, dass man ab einem gewissen Alter nicht mehr spielt, ist immer ein Schmarrn gewesen. SN: Aber es gab die Annahme, dass sich Frauen im höheren Alter schwerertu­n. Frauen haben sich deshalb schwergeta­n, weil es sowieso weniger Rollen für Frauen gab. Das war das Problem, nicht das Alter. Es gab halt auf zehn Männer nur eine Frau. SN: Und hat sich das gebessert? Das hat sich gebessert. SN: Wir haben schon kurz über Streaming gesprochen: Hat ein Streamings­ender auch bei Ihnen schon angeklopft? Ja, ich habe gerade für TNT (Pay-TVSender von Warner, Anm.) eine Miniserie mit Jan Josef Liefers abgedreht. Die Serie heißt „Arthurs Gesetz“, eine sehr böse schwarze Komödie, in der ich Zwillinge spiele. Wir konnten auf sehr hohem Niveau arbeiten. Das war eine sehr, sehr positive Erfahrung. SN: Nutzen Sie auch selbst Streamingd­ienste? Ich schau fast gar nicht fern. Ich mag meine Abende nicht mehr mit Fernschaue­n verbringen. Im Monat schau ich maximal ein, zwei Sendungen. SN: Zu Ihrer Zukunft: Wie geht es für Sie nach „Herzjagen“und „Arthurs Gesetz“weiter? Ich werde im Winter in einer Oper als Sprecherin mitwirken, einer Uraufführu­ng in der Berliner Staatsoper. Und ich werde im kommenden Jahr einen Sechsteile­r drehen über die Entstehung des Oktoberfes­tes. Da werde ich eine Bierbrauer­in spielen. Mir wird also nicht langweilig. Sogar wenn ich nichts tue, wird mir nicht langweilig (lacht). SN: Aber eine Politikerk­arriere steht auf keiner Planungsli­ste, oder? Ich frage, da Sie ja schon einmal von den Grünen als Wahlfrau für die deutsche Bundespräs­identenwah­l aufgestell­t wurden. Ich heiße die Werte der Grünen gut, bin aber keine Abgeordnet­e. Und es gibt auch keine politische­n Pläne. SN: Und noch abschließe­nd die obligatori­sche Frage: Welchen Bezug haben Sie zu Salzburg – Stichwort Festspiele … Es gibt einen sehr großen Bezug. Zum einen habe ich eben in Salzburg bei den Festspiele­n gespielt (im Drama „Harper Regan“am Landesthea­ter 2008, Anm.). Und auch sonst war ich praktisch jedes Jahr bei den Festspiele­n, da ich mit Ulrich Wildgruber (mittlerwei­le verstorben­er Festspiel-Schauspiel­er, Anm.) zehn Jahre zusammen war. Ich habe die Zeit dort geliebt.

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BILD: SN/ORF/MF Eine neue Serie mit Martina Gedeck wird im Herbst auf Sky/TNT gezeigt, der neue ORF-Film folgt 2019.
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