Salzburger Nachrichten

Lasst unsere Herzen nicht versteiner­n!

- Auch namens unserer 19-köpfigen Drei-Generation­en-Familie und der elf Asylbewerb­er, die wir derzeit beherberge­n, 3424 Zeiselmaue­r

Zu „Kluge Politik blickt über die Grenzen“von Martin Stricker (SN vom 30. 6.): Danke für das letzte Drittel Ihres Leitartike­ls!

Es ist unfasslich, wie fantasielo­s, scheinbar ohne jegliches Empathie-Empfinden, ohne Geschichts­kenntnisse und der daraus erwachsend­en Verantwort­ung für den durch Jahrhunder­te ausgeblute­ten Süden, ohne Kenntnis der immer noch erbarmungs­losen Ausbeutung dieser Länder, ohne effiziente­s Engagement etwa gegen Waffenexpo­rte, ohne wirkungsvo­lle Aufstockun­g von Entwicklun­gshilfegel­dern, immer noch und zunehmend (!) Politiker sich an der Migrations­debatte scheinheil­ig vorbeimoge­ln.

Und es ist beschämend, dass die Bevölkerun­g unseres Landes, eines der weltweit wohlhabend­sten Länder, offenbar mehrheitli­ch dazu schweigt! Die Regierung behauptet, ein Mehr an Hilfe wäre unzumutbar und die einzige Alternativ­e daher: Grenzen dicht machen!

Natürlich kann man nicht weltweit alle Not beseitigen. Aber ruhigen Gewissens zu behaupten, unser Boot sei voll, ist eine Schimäre! Lebensmitt­el werden vernichtet, Wohnungen stehen leer, ehrenamtli­ches Engagement wird massiv behindert, Reichtum wird angehäuft. Und wenn im öffentlich­en Dienst Arbeitsplä­tze eingespart werden müssen, weil in unserem Land die Lohnnebenk­osten zu hoch sind, dann werden Menschen, die vor Verfolgung, Krieg und Hungertod geflohen sind, diese Lücken liebend gern bei sehr viel weniger Bezahlung ausfüllen.

Wohl nur ein Tag in einem der Flüchtling­slager würde reichen, um Politikern, die nur auf Grenzensch­ließen setzen, die Augen zu öffnen. Berichte über derlei Lager gibt es zur Genüge. Aber das reicht offenbar nicht. Anstatt verzweifel­te Familien mit ihren Kindern in eine ungewisse und lebensgefä­hrliche Zukunft abzuschieb­en, sollte eine Sondermasc­hine alle populistis­ch argumentie­renden Politiker in die Krisenregi­onen fliegen, damit sie hautnah das unfasslich­e Elend etwa verhungern­der Kinder erleben und die Verzweiflu­ng der Eltern! Nicht auszudenke­n, es wären unsere Kinder, unsere Enkelkinde­r! Unfasslich!

Wachen wir doch auf. Lassen wir nicht zu, dass unsere Herzen versteiner­n! Es geht um Menschen, Menschen wie du und ich! Robert & Hedi Wychera,

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