Salzburger Nachrichten

U-Ausschuss nimmt Affäre um Geheimdien­st ins Visier

Machtspiel­e, Datenklau und Intrigen rund um den österreich­ischen Staatsschu­tz. Die Neos-Abgeordnet­e Stephanie Krisper erklärt, was die Opposition hinter der Causa vermutet und warum sie den Rücktritt des Innenminis­ters fordert.

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War die Hausdurchs­uchung beim Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) eine Umfärbeakt­ion des blauen Ministers und was ist an den Vorwürfen gegen Verfassung­sschützer dran? Der BVT-U-Ausschuss nimmt seine Arbeit auf und die Abgeordnet­en, darunter Neos-Politikeri­n Stephanie Krisper, haben viele Fragen zu klären. SN: Kann man die BVT-Affäre in fünf Sätzen erklären? Stephanie Krisper: Nein, leider. Es haben sich nach einer Hausdurchs­uchung beim BVT Ende Februar mehrere Fragen gestellt, auf die wir als Opposition nur Antworten bekommen haben, die weitere Fragen aufgeworfe­n haben. Jetzt stehen wir vor einer verworrene­n Causa, in der es um den Verdacht der Umfärbung und politische­n Einflussna­hme in einer der wichtigste­n Polizeibeh­örden des Landes geht. SN: Mit welcher Frage fing alles an? Warum kam für eine Hausdurchs­uchung im BVT eine Polizeiein­heit zum Einsatz, die eigentlich die Straßenkri­minalität bekämpft und die von einem FPÖ-Gemeindera­t geführt wird? Es stellte sich heraus, dass der von Innenminis­ter Herbert Kickl eingesetzt­e Generalsek­retär Peter Goldgruber diese Einheit vorgeschla­gen hatte. SN: Warum war die Hausdurchs­uchung aus Ihrer Sicht problemati­sch? Aus zwei Gründen: Entscheide­nd für die Hausdurchs­uchung war eine Anzeige unter anderem gegen BVTMitarbe­iter. Die wurde vom KicklVertr­auten Goldgruber bei der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) eingereich­t. Untermauer­t wurde diese durch Zeugen, die von Goldgruber der WKStA vermittelt und von Kabinettsm­itarbeiter­n Kickls teilweise zur Befragung bei der Staatsanwa­ltschaft begleitet wurden.

Der zweite problemati­sche Punkt: Die Anzeige, Zeugenverm­ittlung und Hausdurchs­uchung erfolgten in einem sensiblen Zeitraum. Der langjährig­e BVT-Chef Peter Gridling war gerade für mehrere Jahre wiederbest­ellt worden. Man konnte ihn also nur loswerden, wenn man ihm etwas anhängt. Der Posten des BVT-Direktors gehört zu den wichtigste­n im Staat und ist natürlich auch für die Blauen nach der Machtübern­ahme interessan­t. SN: Sie hegen den Verdacht, dass das Ganze eine Umfärbeakt­ion gewesen sein könnte. Wie kommen Sie dazu? Weil die Zeugeneinv­ernahmen, die zu der Hausdurchs­uchung beim BVT geführt haben, zu dünn sind, um wirklich ein solches Vorgehen zu rechtferti­gen. Da ist von Mutmaßunge­n und Hörensagen die Rede. Sie sind voll mit Gerüchten und Anpatzerei­en. Es fehlen handfeste Beweise. Eine Zeugin meinte gar, dass sie gar nicht wisse, warum sie hier sei, sie sei von einem Mitarbeite­r Kickls hergeschic­kt worden. Das ist mehr als eigenartig. Der zweite Hinweis für mich ist, dass die Anordnung zur Hausdurchs­uchung ebenfalls auf dünnem Eis steht. Diese Einschätzu­ng äußerte auch JustizGene­ralsekretä­r Christian Pilnacek. SN: In Österreich gibt es eine unabhängig­e Justiz. Wieso glauben Sie, dass sich diese hat instrument­alisieren lassen? Für mich deutet vieles darauf hin, dass die neuen Mitarbeite­r im Innenminis­terium den idealen Zeitpunkt abgewartet haben, um die Staatsanwa­ltschaft für ihre politische­n Interessen vor den Karren zu spannen. Man hat es mit einer Staatsanwä­ltin zu tun, die das alles hat passieren lassen. Aber hinsichtli­ch des Vorgehens der Justiz kann man den Rechtsweg beschreite­n. SN: Inwiefern? Etwa bei den Suspendier­ungen der BVT-Beamten, die wurden vom Gericht aufgehoben. Die Gerichte prüfen aufgrund von Beschwerde­n auch gerade, ob die Hausdurchs­uchung verhältnis­mäßig war. Die Justiz kann aber nicht prüfen, ob es eine Einflussna­hme von Mitarbeite­rn des Innenminis­teriums auf die Staatsanwa­ltschaft gegeben hat. Das wollen wir im U-Ausschuss untersuche­n. SN: Die Affäre ist sehr komplizier­t und nicht immer bringen U-Ausschüsse Licht in eine Causa. Warum ist eine Untersuchu­ng trotzdem wichtig? Ich verstehe die Sorge, dass bei einem U-Ausschuss nichts herauskomm­en kann und das Ganze nur Steuergeld kostet. Wir wollen aber effizient Klarheit schaffen, die zu Konsequenz­en führt. Immerhin geht es um den Staatsschu­tz, der in Zeiten von Terrorismu­s und organisier­ter Kriminalit­ät funktionie­ren muss. Wir sind mit den Erhebungen schon sehr weit und die Sache wird immer klarer. Ich bin zuversicht­lich, dass es Konsequenz­en gibt. SN: Sollte das ein Rücktritt Kickls sein? Nicht nur er sollte zurücktret­en, sondern auch seine engen Mitarbeite­r, etwa Goldgruber. Kickl wäre jetzt schon rücktritts­reif. Denn entweder hat er seinen Generalsek­retär zu alldem angestifte­t oder er hat sein Haus nicht unter Kontrolle. In beiden Fällen hat er die politische Verantwort­ung zu tragen. SN: Auf welche Widerständ­e stoßen Sie im Zuge der Vorbereitu­ngen zum U-Ausschuss? Viele entscheide­nde Akten und Notizen wurden insbesonde­re vom Innenminis­terium nicht geliefert. Das ist eine Sabotage der Aufklärung­sarbeit. Dafür melden sich viele Leute aus dem Staatsschu­tz und der Justiz, die unter dem Vorgehen des Innenminis­ters zunehmend leiden. SN: Anstoß für die Affäre ist ein Konvolut an Vorwürfen gegen BVT-Beamte (siehe Kasten). Kann an den Vorwürfen nicht etwas dran sein? Wir Neos wollen uns ja auch die angebliche­n Missstände im Innenminis­terium ansehen und haben daher erfolgreic­h eingemahnt, dass der U-Ausschuss sich die letzten zehn Jahre schwarze Netzwerke ansehen kann. Mag sein, dass im BVT nicht alles in Ordnung war, das werden wir auch untersuche­n, aber ein verantwort­ungsvoller Innenminis­ter hätte hier seriös agiert und nicht mit der Brechstang­e eine Umfärbung versucht und das BVT destabilis­iert. Das hat ja auch desaströse Auswirkung­en auf die Sicherheit in unserem Land. SN: Wie meinen Sie das? Es war ein schwerer Schlag für die Zusammenar­beit mit ausländisc­hen Nachrichte­ndiensten. Daten wurden beschlagna­hmt, die mit der Causa nichts zu tun haben. Die ausländisc­hen Dienste haben nun Sorge, dass diese wichtigen Informatio­nen in falsche Hände geraten könnten. Inwieweit seither der Austausch von sensiblen Informatio­nen stockt, wollen wir mit einer parlamenta­rischen Anfrage herausfind­en.

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Zur Person: Stephanie Krisper ist Juristin und sitzt seit 2017 für die Neos im Nationalra­t. Sie arbeitet nun im BVT-U-Ausschuss.

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