Was wird aus unserem Müll?
Von der Getränkedose über den Kühlschrank bis hin zum Auto: Was nicht mehr gebraucht wird, landet im Müll. Entscheidend dabei ist jedoch, wem man seine Abfälle überlässt. Falsche Entsorgung hat meist verheerende Folgen.
WIEN. Das Bild ging um die Welt: ein Wal, der an der Küste Spaniens verendet war, weil er 29 Kilogramm Plastik im Bauch hatte. Mittlerweile enthalten Speisefische und sogar Meersalz Mikroplastik. Erst kürzlich berichteten die SN über die weltweit größte ElektroschrottMüllhalde in Ghana. Dort holen Kinder unter apokalyptischen Bedingungen kleinste Edelmetallteile aus Computern, Fernsehern, Autos und Handys, die die westliche Welt containerweise ablädt.
Doch wie ist die Situation in Österreich – und: in welchem Ausmaß trägt die Alpenrepublik zur globalen Verschmutzung bei? Lokalaugenschein in Edt bei Lambach (Oberösterreich). Dort verarbeitet das Unternehmen „Gebrüder Gratz“jährlich 150.000 Tonnen Schrott. Vom Pkw über Heizlüfter bis hin zur Aludose wird gepresst, geschreddert und sortiert.
Im Schatten gigantischer Greifzangen, die meterhohe Schrottberge auftürmen, sagt Geschäftsführer Harald Mitterbauer: „Wir sind ein sehr guter Indikator für die Wirtschaft.“Soll heißen: Je höher die Berge, desto lauter brummt der Wirtschaftsmotor. Derzeit sind sie sehr hoch.
Ortswechsel. In Kematen an der Ybbs (Niederösterreich) steht Helmut Kolba, Direktor der UFH Recycling, vor einer Wand an Kühlschränken und freut sich. Denn mit ihnen füttert er seine topmoderne Anlage. Auf einem Förderband fahren täglich 1200 ausrangierte Kühlgeräte in eine monströse Kammer, in der zentimeterdicke Eisenketten kleine Fitzelchen aus ihnen machen. Der Aufwand, den die UFH betreibt, ist riesig und kostspielig. „Allein im vergangenen Jahr haben wir eine Million Euro investiert“,, sagt Kolba. Im Schnitt landet jeder zweite Kühlschrank aus Österreichs rund vier Millionen Haushalten in Kematen. Das Verblüffende daran: Mittels Kryokondensationsverfahren und gasdichter Schleusen werden 95 Prozent eines Kühlschranks – egal welchen Jahrgangs und Modells – wiederverwertet.
Unternehmen wie die „Gebrüder Gratz“oder UFH stemmen sich seit Jahren gegen die stetig wachsende Mülllawine auf dem Planeten. Freilich tun sie das nicht aus purem Idealismus. Denn mit dem, was die Österreicher nicht mehr brauchen, verdienen diese Betriebe gutes Geld. Schließlich verstecken sich in den Altgeräten wahre Schätze – darunter auch Gold und Silber in beeindruckenden Mengen. Die größte Freude hat der UFH-Chef allerdings mit jenen Containern, die randvoll sind mit sortenreinem Aluminium. Die metallverarbeitende Branche reißt sich darum.
Kolba nun reinen Geschäftssinn zu unterstellen wäre unseriös. Er ist stolz auf jede einzelne Tonne Kohlendioxid (CO2), die durch das Zutun seines Werks nicht in die Luft gelangt. Übrigens betrage der Anteil jener Kühlschränke, die mit den schädlichen und seit 2001 verbotenen Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) betrieben werden, immer noch 42 Prozent. Die werden in der UFH bei 1900 Grad rückstandsfrei verbrannt.
Ebenfalls im Wirtschaftspark Kematen zu Hause ist die Müller-Guttenbrunn Gruppe, kurz: MGG. Auch sie macht, wie es so schön heißt, in Abfall. Es wird bis ins kleinste Korn getrennt. In Teilen des Geländes geht es zu wie in einer Goldwaschanlage. Feinste Metallpartikel werden geschieden: Kupfer, Messing, Aluminium, rostfreier Stahl; aber auch Silber und Gold. In einem Monat werden Rohstoffe im Wert von acht Millionen Euro „geschürft“.
Gleich daneben verarbeitet die MGG jährlich 850.000 Tonnen Plastik zu hochwertigen Kunststoffen. Chris Slijkhuis, ein charmanter, humorvoller Niederländer, wird erstmals ernst, als er über die Umwelt und ihre Zerstörung spricht. „CO2 ist nicht sichtbar und kann kostenlos emittiert werden“, ärgert sich der Recycling-Pionier.
Und er geht mit den eigenen Werten hart ins Gericht: „Wir freuen uns immer über unsere hohen Rückgewinnungsquoten.“Etwa bei Autos liegen sie über 80 Prozent. „Nur vergessen wir dabei gern, dass von den 250.000 Pkw, die pro Jahr in Österreich aus dem Verkehr genommen werden, 200.000 verschwinden und nur 50.000 Autos recycelt werden können. Da sinkt die Quote schnell auf 19 Prozent.“
Genau da setzt Elisabeth Giehser an. Sie ist Geschäftsführerin der Koordinierungsstelle für Elektroaltgeräte. „Deshalb ist es enorm wichtig, dass die Bevölkerung gut trennt und ihre Geräte bei den kommunalen Sammelstellen oder im Handel abgibt. Nur so kann jeder sicherstellen, dass die Materialien in Österreich wiederverwertet werden.“Giehser verweist in diesem Zusammenhang auf einen ständig wachsenden „Geschäftszweig“: das illegale Sammeln von Altgeräten. Es mag verlockend sein, sich den Keller kostenlos räumen zu lassen: „Aber solche Angebote sollte man auf jeden Fall ablehnen“, warnt Giehser. Laut einer Umfrage hatten bereits 30 Prozent der Österreicher Kontakt mit derlei Sammlern.
Kühlschränke oder Waschmaschinen, illegal abtransportiert, landen meist – nachdem ihnen die wertvollsten Teile entnommen wurden – auf wilden Deponien. Auch die weitverbreiteten „weißen Kärtchen“, die schon fast jeder Autobesitzer vorgefunden hat und die einen raschen, unbürokratischen Kauf suggerieren, sind in puncto Umweltschutz wenig zielführend. Der Pkw mag zwar in einem afrikanischen Land noch einige Zeit seinen Dienst versehen, doch dann droht er Teil einer riesigen Schrottmüllhalde zu werden, auf der Kinder inmitten giftigen Rauchs Zwölfstundenschichten verrichten.
Fazit: Was Recycling betrifft, sind Technologie und Kapazitäten in Österreich – ganz im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern – prinzipiell vorhanden. Es liegt an jedem Einzelnen, sie auch zu nutzen. Am Potenzial soll es nicht scheitern: In Österreich fallen alles in allem pro Jahr 60 Millionen Tonnen Abfall an.