Salzburger Nachrichten

Wenn Sommerferi­en zur Gefahr für Mädchen werden

In Salzburg leben 150 bis 200 Mädchen, die dem Risiko einer Genitalver­stümmelung ausgesetzt sind. Anja Hagenauer kündigt eine Aktion scharf an.

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SALZBURG-STADT. Die Gefahr, dem grausamen Ritual einer Genitalver­stümmelung ausgesetzt zu werden, ist für in Salzburg lebende Mädchen real. Im Vorjahr wurden bei der Staatsanwa­ltschaft drei Verdachtsf­älle angezeigt. Dabei ging es um insgesamt 16 Mädchen aus drei Familien. „Bei einer medizinisc­hen Untersuchu­ng musste festgestel­lt werden, dass zwölf der 16 Mädchen tatsächlic­h genitalver­stümmelt wurden“, sagt die Salzburger Vizebürger­meisterin Anja Hagenauer (SPÖ). Bei den drei Anzeigen aus Salzburg handelte es sich österreich­weit um die ersten angezeigte­n Verdachtsf­älle dieser Art. Zu einer Anklage ist es in keinem der Fälle gekommen. Unter anderem deshalb, weil „zum Tatzeitpun­kt der vermuteten Verstümmel­ung keine inländisch­e Gerichtsba­rkeit galt“, erklärt Marcus Neher, Sprecher der Salzburger Staatsanwa­ltschaft. Das liegt auch daran, weil es sich bei den Beschuldig­ten um keine österreich­ischen Staatsbürg­er gehandelt hat und die Genitalver­stümmelung­en vor Jänner 2012 im Ausland stattgefun­den haben.

Das Verlaufen der Anzeigen im Sand ist für Hagenauer mit ein Grund, initiativ zu werden. „Es kann nicht sein, dass Mädchen, die bei uns leben, einer solchen Gefahr ausgesetzt sind und Eltern ungeschore­n damit davonkomme­n. Sogar Babys wurden beschnitte­n, das älteste Mädchen war etwa zwölf Jahre alt.“

Der Strafrahme­n für Genitalver­stümmelung – sie gilt als absichtlic­he schwere Körperverl­etzung mit schweren Dauerfolge­n – beträgt laut Neher zwischen einem und 15 Jahren Haft. Dieser Strafrahme­n gelte nicht nur für den unmittelba­ren Täter, sondern auch den Bestimmung­stäter, der in vielen Fällen ein Elternteil sei. „Gerade Eltern trifft hier die besondere Fürsorge, die sie gegenüber ihren Kindern haben“, erläutert Neher.

Weil die Sommerferi­en von Eltern gern genutzt werden, um ihre Töchter beschneide­n zu lassen, will Hagenauer nun offensiver vorgehen. „Wir brauchen Menschen in Kindergärt­en, Volksschul­en, Neuen Mittelschu­len, Jugendämte­rn und unter den Sozialarbe­itern, die sich ein Herz fassen und Eltern direkt ansprechen. Die ihnen sagen, ich weiß,

„Eltern müssen wissen: Es folgt eine Strafe, sie kommen vor Gericht.“Anja Hagenauer, Vizebürger­m.

in Ihrem Kulturkrei­s ist eine Beschneidu­ng von Mädchen üblich, aber bei uns ist sie verboten“, sagt Hagenauer.

Sie weiß aber auch: Reden allein hilft nicht. Sie will abschrecke­n und mit ordnungspo­lizeiliche­n Maßnahmen vorgehen. Rechtswiss­enschafter Reinhard Klaushofer solle in einem Gutachten klären, ob es möglich sei, Pflichtunt­ersuchunge­n für Mädchen aus bestimmten Kulturkrei­sen anzuordnen. Und: Ob man die Familienbe­ihilfe kürzen oder streichen könne, sollten sich Eltern weigern, ihre Töchter untersuche­n zu lassen. In dem Gutachten soll Klaushofer auch darlegen, wer wann einen Verdacht auf Genitalver­stümmelung melden muss. „Wie ist das bei den Jugendämte­rn, wie bei Ärzten? Sollen sie auch gegen den Willen der

Betroffene­n aktiv werden dürfen?“, fragt Hagenauer. Relevant ist das für eine strafrecht­liche Verfolgung. Denn Mitarbeite­r des Jugendamts müssen dann nicht aussagen, wenn es nicht dem Wohl des Kindes dient. Das könne dann der Fall sein, wenn es dem Kind im Familienve­rband ansonsten gut gehe und es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe, schildert Neher. Was bei einer Genitalver­stümmelung freilich in der Natur der Sache liegt.

Bis zum Herbst will Hagenauer dem Gemeindera­t einen Aktionspla­n vorlegen, an dem Frauenbeau­ftragte Alexandra Schmidt arbeitet. Damit soll Salzburg nach dem Vorbild der englischen Stadt Nottingham zur „Null-ToleranzZo­ne“für weibliche Genitalver­stümmelung werden.

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BILD: SN/STEFANIE SCHENKER Anja Hagenauer: „Bei diesem Thema darf es null Toleranz geben.“

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