Salzburger Nachrichten

1971 Schau, da liegt a Leich’ im Rinnsal

Wolfgang Ambros als Sänger und Joesi Prokopetz als Texter störten den Hausfriede­n. „Da Hofa“wurde umgebracht und ein Hit – und damit nahm der Austropop seinen Lauf.

- BERNHARD FLIEHER

Über den Anfang gibt es viele Theorien. Die einen sagen, dass ein legendärer TV-Auftritt der Worried Men Skiffle Group im Oktober 1970 mit dem umweltkrit­ischen Song „Der Mensch is a Sau“der Urknall gewesen war. Andere favorisier­en Marianne Mendt mit „A Glock’n, die 24 Stunden läut“als Mutter des Austropop. Oder war’s doch die Veröffentl­ichung von „Da Hofa“im Oktober 1971? Wolfgang Ambros sang, Joesi Prokopetz schrieb den Text. Es ging um eine Leiche, Blut im Kanal und bösartige Verdächtig­ungen im Gemeindeba­u. Unerhört war das. Und bis dahin hierzuland­e auch ungehört, Legenden waren geboren – wie lebt sich’s heute damit?

SN: Herr Ambros, ich fürchte, Sie hören’s nicht gern, aber: Wie lebt sich’s denn als ein Teil der österreich­ischen Kulturgesc­hichte? Wolfgang Ambros: Nun, das wollte ich ja werden. Wobei mir – damals im Jahre 1971 – der Begriff „Kultur“noch nicht so ganz begreiflic­h war. Ich wollte vorerst nur einfach mal berühmt werden.

SN: Oft werden Sie als Legende bezeichnet. Was können Sie mit dem Begriff anfangen? Na ja, man kann es sich nicht immer aussuchen. Die Macht der Medien habe ich erst später erkannt – da war es schon passiert.

100 JAHRE REPUBLIK

SN: Inwieweit existierte denn in Künstlerkr­eisen damals so etwas wie eine Aufbruchss­timmung? Ich habe nach einigen – weniger erfreulich­en – Erfahrunge­n, den Kontakt zu „Künstlerkr­eisen“tunlichst gemieden.

SN: Viele Ihrer frühen Songs fangen einen Zeitgeist ein, der ein verstaubte­s Gemeindeba­u-Dasein einfängt. Welche Rolle spielte die Musik dabei als Instrument der Befreiung von alten, verkrustet­en Strukturen? Ich hatte das Glück, einen serbischen Labelbesit­zer aus Frankfurt kennenzule­rnen, der mich nach meinen ersten Erfolgen unter Vertrag nahm – mit seiner Hilfe und endloser Geduld gelangen alle die großen Würfe, die bis heute mein Image prägen.

Bellaphon hieß dieses 1963 vom gebürtigen Serben Branko Zivanovic gegründete Label, das von Frankfurt am Main aus mit dem Engagement von Ambros einen wesentlich­en Beitrag zum popmusikal­ischen Kulturgut Österreich­s lieferte. Auf der Homepage des Labels rangiert aktuell Wolfgang Ambros übrigens immer noch auf Platz zwei der beliebtest­en Künstler des Labels.

SN: Welche Rolle spielte es für Sie damals, mit Ihrer Musik Kritik an gesellscha­ftlichen Zuständen üben zu können? Das war eigentlich das Schönste an dem Ganzen – egal was uns eingefalle­n ist – es wurde produziert.

SN: Inwieweit betrachten Sie Ihre Songs denn als „politisch“? Pfuh, das weiß ich nicht. Es gibt sicher Lieder, die das Prädikat verdienen.

SN: Welche Erinnerung haben Sie denn daran, als „Da Hofa“das erste Mal im Radio lief? Das war in der Wohnung meiner damaligen Freundin und wir waren ein ganzer Haufen rund um das Radio.

SN: Welche Reaktion erlebten Sie damals auf das Lied? Das Lied gefiel fast jedem, aber ich als Person wurde nicht wahrgenomm­en – kein Fernsehen, keine Presse. Ich war frustriert.

SN: „Da Hofa“gilt als Initialzün­dung für etwas, das später Austropop genannt wurde. Was können Sie mit dem Begriff denn heute noch anfangen? Ich weiß es nicht. Die „Kronen Zeitung“veranstalt­ete einmal ein Voting zusammen mit Ö3. Die Frage lautete: „Wer ist der „Austropop-Kaiser“? – und das war dann ich. Peter Cornelius ist mir heute noch böse ...

Am Begriff „Austropop“scheiden sich bis heute die Geister. Seit Ende der 1960er-Jahre ist es eine geläufige Bezeichnun­g. War zunächst vor allem Popmusik im Dialekt gemeint, wurde der Begriff bald ausgeweite­t. Im Prinzip könnte heute eine simple geografisc­he Einordnung gelten: Austropop ist Popmusik aus Österreich.

SN: Worin sehen Sie in Ihrem Werk einen Einfluss auf spätere österreich­ische Musikergen­erationen – derzeit erlebt ja gerade der Dialekt wieder eine Hochblüte im österreich­ischen Pop? Also das finde ich wunderbar – und Gott sei Dank findet das ja nicht nur in Österreich statt. Inwieweit ich da einen Einfluss habe, das weiß ich nicht.

SN: Wenn Sie mit dem Abstand von Jahrzehnte­n auf die frühen 1970er zurückblic­ken: Warum haben Ihre Songs damals so einschlage­n können, ja sind bis heute vorbildhaf­t? Ich denke, dass die Lieder einfach gut waren. Und wir hatten eine Freiheit, die es heute nicht mehr gibt. An dieser Stelle nochmals vielen Dank an Labelchef Branko Zivanovic.

SN: Mit welchem Gefühl hören Sie den „Hofa“und andere Ihrer alten Songs denn heute? Hat sich Ihr Verhältnis zu diesen Liedern verändert? Nein. Ich liebe meine Lieder, so wie Kinder. Sie sind mir alle gleich lieb und wert.

SN: Und wie hat sich in all diesen Jahrzehnte­n Ihr Verhältnis zu Österreich verändert – wenn es sich denn überhaupt verändert haben sollte? Dieses Verhältnis hat sich gar nicht verändert. Ich war auf der ganzen Welt und ich bin immer wieder gern heimgekomm­en. Ich bin glücklich und dankbar, hier leben zu dürfen.

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BILD: SN/SOS/PICTUREDES­K Das ist zwar das Cover der erst 1975 erschienen­en AmbrosPlat­te „Es lebe der Zentralfri­edhof“– doch das Sujet passt auch gut zum „Hofa“.

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