Politik als Wirrwarr
Im Asylstreit hat Deutschlands Innenminister Horst Seehofer (CSU) nichts erreicht. Dennoch – oder gerade darum – legt er unermüdlich nach.
„Im Grunde ist das eine Verarschung!“So kommentierte Grünen-Chef Robert Habeck den Asylkompromiss von Union und SPD. In der Tat muss man sich fragen, was denn jetzt aus drei Wochen intensivsten Streits zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU), der die Union und auch die Große Koalition an den Rand des Bruchs geführt hat, herausgekommen ist.
Vieles ist immer noch unklar, weil der Kompromiss nicht zuletzt darauf beruht, dass Deutschland mit den anderen EU-Staaten Rücknahmeabkommen vereinbart. Dafür spricht im Moment allerdings wenig. Insofern reibt man sich verwundert die Augen, wenn Seehofer voller Stolz erklärt: „Das ist alles von A bis Z so, wie man sich das als zuständiger Minister wünscht. Sie sehen einen sehr zufriedenen Innenminister.“
Bei seinem Besuch in Österreich hat er nichts erreicht. Wien hat ihm sehr deutlich gemacht, dass Österreich nicht einfach Flüchtlinge zurücknehmen wird, wie Seehofer das noch vor Tagen angekündigt hat. Auch in anderen Staaten tendiert die Bereitschaft gegen null. Rückweisungen an der Grenze – einst Seehofers Hauptforderung – wird es nur in sehr bescheidenem Umfang geben.
Nach der Einigung mit der SPD wird nur noch zurückgewiesen, wer bereits in einem anderen EU-Staat Asyl beantragt hat und wenn mit diesem Staat ein entsprechendes Abkommen geschlossen worden ist. Das ist nun die Aufgabe des Innenministers. Doch der hat angesichts der Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens den Schwarzen Peter bereits an die Kanzlerin delegiert. Er erwarte, „dass wegen der Komplexität und der europäischen Dimension am Ende die wichtigsten Punkte dieser Vereinbarung von den Regierungschefs fixiert werden müssen“, sagte Seehofer.
CDU/CSU und SPD haben sich auch auf Transitverfahren geeinigt. Seehofer sprach allerdings von Transferzentren. Die sollen in schon bestehenden Polizeistationen untergebracht werden. Seehofer erwartet pro Tag zwei bis fünf Flüchtlinge, über deren Schicksal innerhalb von 48 Stunden entschieden werden soll. Ohne Rücknahmeabkommen gibt es allerdings nicht viel zu entscheiden.
Für die SPD ist es auf den ersten Blick ein großer Erfolg, dass sie durchgesetzt hat, dass das Kabinett noch in diesem Jahr eine Vorlage für ein Einwanderungsgesetz verabschieden wird. Nur wird ein solches Gesetz nicht das Flüchtlingsproblem lösen.
Wer gemeint hatte, dass mit der Einigung beim Berliner Koalitionsgipfel am Donnerstagabend das Thema Flüchtlinge endlich abgehakt werden könnte, der wurde am Freitag eines Besseren belehrt. Wenn das Asylpaket in der Praxis nicht funktioniere, werde die Sache wieder von vorn losgehen, polterte Seehofer: „Dann müssten wir darauf zurückgreifen, direkt an der Grenze abzuweisen.“Allerdings hat er das in der Vergangenheit auch schon gefordert und dann klein beigegeben.
Das Thema Asyl und Migration beherrschte am Freitag auch das traditionelle Arbeitstreffen der EUKommission mit der neuen Präsidentschaft in Wien. Es gab eine kurze Sitzung mit der Bundesregierung und eine Pressekonferenz von Kommissionschef Jean-Claude Juncker mit Kanzler Sebastian Kurz. Juncker betonte, er erwarte sich von Österreich „wie immer alles“. Im Hinblick auf den deutschen Asylkompromiss betonte Juncker, es sei davon auszugehen, dass „ alles, was jetzt passiert, europarechtskonform ist“. Juncker kündigte für September einen eigenen Vorschlag zum Thema Außengrenzschutz an.
Der italienische Innenminister Matteo Salvini (Lega) bestätigte ein Treffen mit seinen Amtskollegen Herbert Kickl (FPÖ) und Horst Seehofer (CSU) am Rande des EUInnenministertreffens, das am kommenden Donnerstag in Innsbruck stattfindet. Davor plant Salvini ein bilaterales Treffen mit Horst Seehofer.
EU-Kommission zu Besuch in Wien