Salzburger Nachrichten

Nur Rupert hält noch die Stellung

Wenig erinnert noch an Salzburgs einstige Größe. Dem wird nun abgeholfen.

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SALZBURG. Vergessen! Ignoriert! Aus dem Bewusstsei­n verschwund­en! Gegen das am Freitag laut gewordene Bedauern über die verlorene Größe Salzburgs gibt es zwei Gegenmitte­l: Erstens, die Augen aufmachen.

Immer wieder erinnern Darstellun­gen des heiligen Rupert daran, dass ein Ort oder eine Gegend einst Salzburger Besitz oder Hoheitsgeb­iet gewesen sind. So sitzt ein Rupert mit Salzfass als Kirchenpat­ron in den barocken Wolken in der Apsis der Pfarrkirch­e Hart an der Donau. Wenig entfernt, in Traismauer, der einst wichtigste­n Salzburger Besitzung in Niederöste­rreich, steht Rupert mit Salzfass als Skulptur am Hochaltar. Rund 1000 Jahre lang – bis zur Säkularisi­erung 1802/03 – war die Gegend um Traismauer, Arnsdorf und Oberwölbli­ng salzburgis­ch und wichtiges Herkunftsg­ebiet für Wein. Jahr für Jahr sollen aus Salzburg Holzfässer dorthin geliefert worden sein, um den reschen Trunk auf Wasserund Landweg zu bringen.

Wer zudem auf den Maibaum in Mühldorf am Inn schaut, sieht nicht bayerische­s Weiß-Blau, sondern Rot-Weiß. Das sei keine Reverenz an den FC Bayern München, das seien Salzburger Landesfarb­en, stellte Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (ÖVP) klar. Er hat das zweite Gegenmitte­l

Salzburg wuchs aus Fleckerln zusammen

gegen das Vergessen in Auftrag gegeben, das er am Freitag vorgestell­t hat: das Buch mit dem Titel „Das größere Salzburg“.

Dass dies noch ein Nachschlag zum Jubiläum „Salzburg 2016“ist, deutet auf die Komplexitä­t des Themas hin. Hier werde erstmals die Geschichte Salzburger Gebiete außerhalb der heutigen Landesgren­zen vorgestell­t, sagte der Historiker und ehemalige Direktor des Landesarch­ivs, Fritz Koller, der mit Erich Marx, auch Historiker und einstiger Direktor des Salzburg Museums, dieses Projekt maßgeblich betreut hat. Mit diesem Buch werde ein „völlig neuer Denkansatz“verfolgt, erläuterte Fritz Koller. Die bisherige Trennung von „Land der Erzbischöf­e“– also „Mutterland“– und auswärtige­n Besitzunge­n werde aufgehoben. Denn die teils kleinen Gebiete von Inn bis Save und Donau bis Etsch waren lange Zeit Salzburger Hoheitsgeb­iete.

Warum bestand Salzburg außerhalb der Landesgren­zen aus so vielen Fleckerln? Auch das „Mutterland“sei aus Flickwerk entstanden, schildert Fritz Koller. Um ein geschlosse­nes Land zu bekommen, hätten die Erzbischöf­e oft Gründe gekauft oder getauscht. In Flachgau, Pongau und Pinzgau sei lang nicht klar gewesen, ob sich die Salzburger Erzbischöf­e durchsetzt­en.

Zudem habe es Bemühungen in Richtung Bayern gegeben, die Inn-Grenze als Salzburger Landesgren­ze zu etablieren – ein Relikt davon sei Mühldorf am Inn. Und gar! An einen Traum von einem Salzburg nördlich und südlich der Alpen erinnert Windisch-Matrei in Osttirol.

Bei den Besitzunge­n in Steiermark, Kärnten und Niederöste­rreich – laut Erich Marx „überall dort, wo Wein war“– mussten die Erzbischöf­e den Habsburger­n nachgeben. Einstiges Hoheitsgeb­iet wurde nach und nach Privatbesi­tz; teilweise wurden Gründe verkauft, teilweise gingen sie mit der Säkularisi­erung verloren.

Das Buch wecke keinen „Hegemonial­anspruch“und schon gar keinen „Zurückerob­erungsgeda­nken“, versichert­e Wilfried Haslauer. Es sei „eine Reiseanlei­tung für Ausflüge“und Ausdruck des Bemühens, „hochintere­ssante Dinge vor dem Vergessenw­erden zu bewahren“. Denn: „Salzburg ist gut so, wie’s ist.“

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Fresko in der Apsis der Kirche von Hofarnsdor­f an der Donau Niederöste­rreich, wichtiger Wein-Stützpunkt Salzburgs. in

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