Salzburger Nachrichten

Wie Seehofer das schöne Bayernland blamiert hat

Hü und hott und hü: Unwürdig war im Asylstreit der Auftritt des deutschen Innenminis­ters.

- Helmut L. Müller LESERFORUM@SN.AT

Am Ende musste die SPD den zerstritte­nen Schwesterp­arteien CDU und CSU aus der Patsche helfen. Die Sozialdemo­kraten stimmen einer verschärft­en Asylpoliti­k zu. Dafür erhalten sie die Zusage für ein Einwanderu­ngsgesetz.

Damit fällt der Vorhang in dem absonderli­chen, abstoßende­n PolitTheat­er der vergangene­n Tage. Aber kein Mensch sollte gewiss sein, dass dieser Streit dauerhaft gelöst ist. Sicher ist nur, dass die deutsche Regierungs­politik durch den Streit zwischen CSU und CDU einen Scherbenha­ufen angerichte­t hat. Die jüngsten Meinungsum­fragen zeigen das deutlich: 78 Prozent der Bürger sind nicht zufrieden mit der Arbeit der Großen Koalition (GroKo), die gerade 100 Tage im Amt ist.

Am stärksten verloren hat im Ansehen der Wähler Bundesinne­nminister Horst Seehofer, der mit anderen CSU-Politikern den Asylstreit angezettel­t hat. Drei Viertel der Bürger urteilen, dass Seehofer mit seinem Verhalten die Union geschwächt hat. Viel weniger Popularitä­tspunkte hat Kanzlerin Angela Merkel eingebüßt. Aber auch die Reputation der CDU-Chefin ist ramponiert: Zwei Drittel der Bürger finden, dass CDU und CSU keinen gemeinsame­n Kurs verfolgen und Merkel die Unionspart­eien nicht mehr richtig im Griff hat.

Angesichts dieses dramatisch­en Absturzes in der Wählermein­ung ist es absurd, wenn CSU-Politiker von einem Sieg im Polit-Poker sprechen. Das stimmt schon sachlich nicht, weil Merkel ihren prinzipiel­len Standpunkt durchgeset­zt hat, dass es in der Asylpoliti­k nur ein mit den EU-Partnern abgestimmt­es Handeln geben soll. Damit erlebt vielmehr Seehofer ein Desaster, das strategisc­hen Fehlern der CSU zuzuschrei­ben ist.

Auch diesmal ist die CSU der irrigen Annahme gefolgt, dass sie als bayerische Regionalpa­rtei die Politik der Unionspart­eien bestimmen könnte, obwohl die CDU fünf Mal größer ist. Zwar sympathisi­eren viele Christdemo­kraten in der Asylfrage mit Positionen der CSU. Doch die Grobheit, mit der die CSU die Kanzlerin attackiert hat, ließ die CDU zusammenrü­cken. Auf diese Weise lassen wir uns von denen die Kanzlerin nicht von der politische­n Bühne schubsen, hieß es.

Was das Volk will? Seriöse Sachpoliti­k.

Falsch ist zweitens das Kalkül der CSU, man könnte Wähler von der sogenannte­n Alternativ­e für Deutschlan­d dadurch zurückhole­n, dass man die AfD kopiert – indem man nämlich das Haupt- und Angstthema der Rechts-außen-Partei in den Vordergrun­d zerrt und deren schrille Tonlage in der Asylfrage variiert. Das aber minimiert nicht die AfD, es deformiert bloß die CSU.

Ausgerechn­et die selbstbewu­sste CSU, die das stolze Bayernland anführt, lässt sich wegen der bevorstehe­nden Landtagswa­hl von der AfD Angst einjagen, statt diese Ressentime­nt-Partei kühl in die Schranken zu weisen – mit seriöser Sachpoliti­k vor allem und mit dem Hinweis darauf, dass das von der CSU regierte Bayern sowohl bei der Sicherheit als auch bei der Integratio­n von Zuwanderer­n effiziente­r ist als viele andere Bundesländ­er.

Die nationalis­tisch, völkisch, antieuropä­isch eingestell­te AfD hat Merkel zu ihrem Feindbild erklärt. Wenn die CSU ähnlich Stimmung gegen die Kanzlerin macht, startet sie ein Konjunktur­programm für die AfD. Die CSU inszeniert mit einem künstlich aufgeblase­nen Streit über ein paar Details der komplexen Asylpoliti­k einen besonders lauten Krach mit der Kanzlerin, um der AfD für alle sichtbar Konkurrenz zu machen. Das soll der eigenen Partei, wie die CSU-Spitzenleu­te meinen, wieder Glaubwürdi­gkeit bringen? Kaum zu glauben.

Die CSU regiert den Freistaat vom weltoffene­n München aus. Doch im jüngsten Asylstreit hat sie Bayerns Europa-Verbundenh­eit infrage gestellt. Derart verrannt haben sich die Partei-Oberen bei ihrer Anti-Merkel-Kampagne, dass sie am Ende nicht mehr zu wissen schienen, welcher Partei sie vorstehen. Die CSU hat natürlich viele konservati­ve Anhänger, sie zählt aber auch viele liberal und sozial Gesinnte, ebenso viele entschiede­ne Europäer.

Im Verlauf des Asylstreit­s sagte Ministerpr­äsident Markus Söder einmal, man müsse sich wohl abkehren vom Multilater­alismus, wie ihn die Europäisch­e Union praktizier­t, und mehr auf das Handeln der Einzelstaa­ten in der EU setzen. Diese Äußerung sollte Söder sofort in der Mappe mit der Aufschrift „Politische Dummheiten“ablegen und niemals mehr hervorhole­n.

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WWW.SN.AT/WIZANY Der Eigentorkö­nig . . .

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