Eine Managerin, Mutter, Iranerin, Technikerin sagt: „Vorurteile registriere ich, um sie dann schnell zu übersehen.“
Managerin, Mutter, Iranerin, Technikerin: „Vorurteile registriere ich, um sie dann schnell zu übersehen.“
WIEN. Mahboobeh Bayat ist nach der Matura im Iran nach Österreich gekommen. An der Technischen Universität in Wien hat sie Informatik studiert und ist im Industrieund Anlagensektor Key-AccountManagerin bei Siemens Industry Software. Die Mutter zweier Kinder (6 und 8) ist mit einem Österreicher verheiratet. Im SN-Interview spricht sie Klartext über Frauen, Karriere und Vorurteile, denen sie als Frau, Technikerin und Ausländerin begegnet.
SN: Nur 18 Prozent der Informatikstudenten sind Frauen. Warum haben Sie ein technisches Studium ausgewählt? Mahboobeh Bayat: Um mich später im Beruf mit gut verdienenden, einflussreicheren Männern messen zu können. Ich wollte einen Beruf, bei dem ich gut verdiene. Also habe ich mich für Informatik entschieden, obwohl ich mich damals mehr für Architektur interessiert habe.
SN: Das war also eine sehr pragmatische Entscheidung? Ja, absolut. Ich wollte schneller mit dem Studium fertig werden und bessere Jobmöglichkeiten haben. Als ich aus dem Iran gekommen bin, war ich hier fremd und hatte nicht viel Geld.
SN: Wie ist es Ihnen als Frau im Technikstudium ergangen? An der Universität hat das Geschlecht in meiner Wahrnehmung keine Rolle gespielt. Ich habe aber generell bei dem Thema ,ich bin ein Mädchen, die anderen Buben‘ ir- gendwann gelernt, das pragmatisch zu ignorieren und nicht mehr wahrzunehmen. Auch, weil es im Iran so sein musste. Und dieses Denken setzt sich bei mir im Berufsleben fort. Mir ist das Studium nicht so leichtgefallen. Ich habe es aber in Mindeststudiendauer in einer für mich fremden Sprache abgeschlossen – mit durchschnittlichen Noten. Ich bin grundsätzlich ein durchschnittlicher Mensch.
SN: Der Iran war eine gute Schule dafür, sich als Frau in der westlichen Welt zu behaupten? Ja. Das wäre vielleicht auch ein Rezept für andere. Man könnte sagen, ich beschäftige mich nicht so sehr mit dem Thema, sondern gehe meinen Weg und traue mich, mich mit Burschen oder Männern zu messen.
SN: Warum betonen Sie, Sie seien durchschnittlich? Ich sage das, weil ich andere ermutigen möchte, nicht zu glauben, dass technische Studien schwierig sind. Sie sind genauso schwierig wie andere Ausbildungen und Studien. Man braucht ein wenig Durchhaltevermögen, dann kommt man durch. Man muss mathematisch und technisch nicht herausragend begabt sein. Ich habe fleißig gelernt, bin nicht oft ausgegangen – auch, weil ich kein Geld dafür hatte.
SN: Unternehmen wie Siemens mit einem Frauenanteil von 20 Prozent fordern, dass mehr Frauen technische Ausbildungen machen, und sie tun hier auch viel. Aber der Erfolg ist nicht berauschend. Was müsste künftig anders gemacht werden? Man muss stärker an der geistigen Haltung der Eltern, vor allem der Väter, arbeiten. Ich versuche meiner Tochter vorzuleben, dass man mit Leichtigkeit und Weiblichkeit in männerdominierten Berufen arbeiten kann. Wenn Eltern, vor allem Väter, das ihren Töchtern zutrauen und Frauen das vorleben, dann ist das eine gute Unterstützung. Das kann nicht nur von Schulen oder der Regierung kommen.
SN: Müssen Sie sich bei Kunden und firmenintern als Frau mehr als Ihre Kollegen anstrengen, um anerkannt zu werden? Man muss sich als Frau bei Kunden und Kollegen, die einen nicht so gut kennen, immer noch mehr bemühen als Männer, um zu beweisen, dass man gleichwertige Kompetenzen hat. Ich habe vor vielen Jahren damit aufgehört, mich darüber zu ärgern oder Menschen ändern zu wollen. Ich mache meine Arbeit so gut, wie ich kann. Damit bin ich gut gefahren. Aber als Frau Karriere zu machen ist schwierig. Ich kommuniziere offen, dass man als Frau schnell die Glasdecke erreicht. In jeder Karriere, ob Frau oder Mann, braucht man gute Mentoren.
SN: Männer finden diese Mentoren leichter? Die Netzwerke der Männer funktionieren anders als bei Frauen. Ich habe noch keinen Weg gefunden, wie ich das System der Männer umsetzen könnte, um gut damit zu fahren.
SN: Was müsste in Unternehmen geschehen, damit Frauen bessere Karrierechancen haben? Ich bin sehr für die Quote, weil damit die Anzahl der Frauen in der Führung steigt. Und das würde eine Haltungsänderung bewirken. Man kann die Denkweise nicht ändern, wenn in der Führung nur oder überwiegend Männer sind. Für einen Kulturwechsel braucht man verpflichtende Quoten.
SN: Sind Sie als Frau und Iranerin doppelt Vorurteilen ausgesetzt? Ja, aber ich habe die Begabung, das sehr schnell zu übersehen.
SN: Sie haben erzählt, dass Sie, obwohl Ihr Deutsch exzellent ist, von Männern in Verhandlungen wegen klitzekleiner Aussprachefehler korrigiert werden. Als Machtdemonstration, um Sie zu schwächen. Das passiert immer wieder. Manche sprechen etwa über lange Zeit hinweg meinen Namen bewusst falsch aus. Ich registriere das, aber ich verschwende keine Energie darauf.
SN: Sie haben selbst in der Familie Fluchterfahrungen
gemacht. Wie erleben Sie die gegenwärtige Flüchtlingsdiskussion in Österreich? Mein Bruder war ein Flüchtling, weil er in den Iran-Irak-Krieg hätte müssen. Er ist nach einer sehr schwierigen Flucht schließlich in Traiskirchen gelandet. Dort hat er viele Freunde und Bekannte gewonnen. Sie alle hatten ein Ziel: sich so rasch wie möglich zu integrieren und zu lernen, damit sie einen guten Beruf bekommen. Mein Bruder ist heute Neurologe und zahlt seit Jahren Steuern.
Menschen, die flüchten, sind wirklich in Lebensgefahr oder haben es extrem schwer. Ansonsten würden sie nicht die Qual einer Flucht auf sich nehmen und wohin gehen, wo sie niemanden kennen und die Sprache nicht verstehen. Diese Menschen wollen hart arbeiten. Und schwarze Schafe gibt es überall. Die Ausländerdiskussion hier bei uns in Österreich kippt in Richtung Gruppenbildungen und Menschenhass. Das kann dazu führen, dass eine kostbare Demokratie, wie ich sie in Österreich erlebe, kippt. Ich komme aus einem nicht demokratischen Land. Dort ist selbst das Leben mit Geld, das einem durchaus guten Komfort ermöglicht, nicht annähernd so schön wie hier in Demokratie und Freiheit. Man sollte sehr achtsam sein und nicht aufhetzen.