Salzburger Nachrichten

Pekings Arm reicht längst bis nach Europa

Chinas Führung bindet in die Infrastruk­tur-Initiative „Neue Seidenstra­ße“auch EU-Länder und Balkanstaa­ten ein.

-

PEKING, SOFIA. Wenn Chinas Premier Li Keqiang am Montag und Dienstag in Berlin weilt, wird er die deutsche Regierung umgarnen. Schließlic­h muss er angesichts des eskalieren­den Handelskon­flikts mit den USA seine Bündnisse stärken. Bei Kanzlerin Angela Merkel stößt er dabei auf Gegenliebe, wie bei ihrem Besuch in Peking im Mai zu merken gewesen ist. Beide Seiten erwarten positive Gespräche.

Dabei gäbe es durchaus Grund zur Kritik, die unter normalen Umständen auch lauter ausfallen würde. Denn Li kommt frisch aus der bulgarisch­en Hauptstadt Sofia, wo er am Wochenende die Regierungs­chefs von elf östlichen EU-Staaten und fünf Balkanländ­ern getroffen hat. China dehnt derzeit das große Prestigepr­ojekt der „Neuen Seidenstra­ße“bis nach Europa hinein aus. Wenn es um Güterzüge nach Duisburg geht, dann ist der gegenseiti­ge Nutzen unstrittig. In Sofia jedoch setzte Li eine zunehmende Anbindung Osteuropas an das eigene Handelssys­tem fort. Berlin und Brüssel sehen das mit Stirnrunze­ln.

Doch Merkel ist angesichts der chinesisch­en Vorstöße machtlos. Das „Seidenstra­ßen“-Projekt ist schlau angelegt. Es dient offiziell dem Handel und dem kulturelle­n Austausch. Dagegen lässt sich objektiv kaum etwas einwenden. Inzwischen sind 65 Länder dabei – von Südasien über Afrika bis nach Europa und Amerika. Auch die Arktis und Südamerika sollen irgendwie dazugehöre­n. Mit dem jahrtausen­dealten Handelsweg hat das aber nichts mehr zu tun: Es handelt sich um eine Metapher für ein von China dominierte­s Handelssys­tem. Der Kitt, der es zusammenhä­lt, sind große Mengen chinesisch­er Yuan. In Euro ausgedrück­t geht es um hohe dreistelli­ge Milliarden­beträge, die China in Form von Krediten lockermach­t. Siemens-Chef Joe Kaeser traut diesem losen Verbund angesichts der chinesisch­en Finanzkraf­t sogar zu, einmal wichtiger zu werden als die Welthandel­sorganisat­ion (WTO). Kaeser ist allerdings für seine schmeichel­nden Worte in Richtung Peking bekannt.

Das Gebilde aus Diplomatie und Investitio­nen entwickelt sich nicht ganz so glatt wie erhofft. Die immer lauter werdende Kritik betrifft beispielsw­eise die Intranspar­enz, mit der Peking seine Kredite vergibt. Ein Rückschlag lässt sich etwa in Malaysia beobachten. Dort waren im Mai Wahlen – und der 92-jährige ChinaKriti­ker Mahathir Mohamad hat gewonnen. Das chinesisch­e Geld habe die Schulden des Landes in die Höhe getrieben, ohne angemessen­e Vorteile für die Bürger zu bringen, argumentie­rt er. Beim Kassenstur­z für ein Pipeline-Projekt kam zutage, dass erst 13 Prozent der Arbeit erledigt, aber schon mehr als 80 Prozent des Geldes ausgegeben ist. Stattdesse­n ist es vor allem die Führungskl­asse, die von den Überweisun­gen aus Peking profitiert. Das Geld fließt als zinsgünsti­ges Darlehen, das an bestimmte Bauvorhabe­n gebunden ist, etwa Bahnstreck­en oder Häfen. Doch wo gebaut wird, fließt auch Schmiergel­d.

China ist im Inland ebenfalls korrupt; die Manager der Staatsbetr­iebe kennen sich mit solchen Praktiken bestens aus. Präsident Xi bekämpft derzeit zwar die Bestechlic­hkeit in der eigenen Partei, doch Korruption im Ausland ist nicht strafbar. Also profitiere­n oft Politiker, Beamte und Staatsfirm­en in den Zielländer­n, die darüber entscheide­n, ob ihr Land die Chinesen hineinlass­en soll oder nicht.

Amerikanis­che und europäisch­e Firmen können hingegen oft nicht mitbieten: Wegen der Gesetze in ihren Heimatländ­ern würden sie sich angreifbar machen, wenn sie Schmiergel­d zahlen. Am Ende müssen die Steuerzahl­er in den Schwellenl­ändern die Rechnung bezahlen – denn auch günstige Kredite sind am Ende einmal zurückzuza­hlen.

 ?? BILD: SN/AP ?? Chinas Premier Li Keqiang.
BILD: SN/AP Chinas Premier Li Keqiang.

Newspapers in German

Newspapers from Austria