Rot dominiert im Silber-Land
Vettel siegt in England vor Hamilton und Räikkönen – nach Kontroversen – und kommt mit acht Punkten Vorsprung zum Heimrennen. Der Zweikampf der Formel-1-Oberklasse wird ruppiger.
Aus der großen Party von Lewis Hamilton mit seinen wieder in Massen nach Silverstone gepilgerten Fans wurde nichts. Oder fast nichts. Denn der Dominator der vergangenen vier Jahre im britischen Grand Prix, Lewis Hamilton, musste sich mit Platz zwei begnügen – ohne dass er je in einen Zweikampf mit dem Trainingszweiten und WM-Erzrivalen Sebastian Vettel eingreifen konnte. Denn der Lokalmatador wurde schon in Kurve drei nach dem Start von Kimi Räikkönen im zweiten Ferrari „umgedreht“. Die Aktion sorgte genauso für Debatten wie auch die Entscheidung der Rennkommissäre, die dem Finnen zehn Strafsekunden aufbrummten – dennoch stürmte Räikkönen noch bis auf Platz drei nach vorn.
Vettel gelang sein vierter Saisonsieg, der 51. insgesamt, in beeindruckender Manier – aber außer beim Start ohne direktes Duell mit Hamilton. Vettel führte von Beginn bis zur ersten Safety-Car-Phase nach Ericssons Unfall (Runde 32) und holte diese fünf Umläufe vor Schluss von Valtteri Bottas (Mercedes) zurück, dessen Reifen abgefahren waren. Der Deutsche kommt nun nach dem „Auswärtssieg“in England mit acht Punkten Vorsprung auf Hamilton zu seinem Heimrennen nach Hockenheim (22. Juli), dem vorerst letzten deutschen Grand Prix, der 2019 nicht mehr im Kalender stehen wird.
Hamilton war für viele der „Mann des Rennens“, holte er doch von ganz hinten nach seinem halben Dreher bis Rang zwei auf. Allerdings war das spannende Finish mit dem Vierkampf zwischen Rot und Silber vorn und Blau (Verstappen gegen Ricciardo) dahinter nur durch die zweite Safety-Car-Phase nach der Kollision zwischen Sainz (Renault) und Grosjean (Haas) in Runde 37 möglich geworden. Drei Runden vor Schluss drehte sich der Österreich-Sieger Verstappen von der Piste: „Ich steckte im dritten Gang fest“, funkte er an die Box. Vorangegangen war ein Defekt an der elektronischen Bremse, der die Kupplung beschädigte, wie Teamchef Christian Horner später mitteilte. Daniel Ricciardo wurde Fünfter, hatte mit dem Kampf ums Podium aber nichts zu tun: „Auf dieser Hochgeschwindigkeitsstrecke fehlen uns leider ein paar PS.“
„Ja, das Safety-Car hat es spannend gemacht“, bestätigte Vettel, der als einziger Pilot bisher in allen zehn Rennen punktete und dabei nie schlechter als Achter war. Zu seinen Nackenproblemen, die Samstag fast ein Antreten in der Qualifikation verhindert hätten, sagte der vergangenen Dienstag 31 Jahre alt gewordene Vettel: „Es ging heute viel besser. Das Adrenalin vertrieb sie.“Und er erklärte zum Duell mit Bottas im Finish: „Ich hatte die weit besseren Reifen, aber es war trotzdem nicht einfach durchzukommen.“Teamkollege Räikkönen – bei der Siegehrung von den britischen Hamilton-Fans ausgepfiffen – blieb auch nach der Strafe und aggressiver Fahrt auf Platz drei emotionslos: „Es war mein Fehler, mein Reifen blockierte, ich touchierte Hamilton. Die Strafe war in Ordnung. So läuft es manchmal. Wir kämpfen weiter.“Hamilton, dessen Mercedes bei der Kollision in der ersten Runde offenbar nicht beschädigt wurde, „entschuldigte“sich bei den Fans: „Das ist für euch und mich das größte Rennen des Jahres. Leider konnte ich es nicht nach Hause bringen. Aber ich gebe deswegen nicht auf.“
Den am Ende nur viertplatzierten Bottas verteidigte sein Teamchef Toto Wolff: „Seine Reifen waren total am Ende. Er konnte sich nicht mehr wehren.“Bottas hatte auf einen Wechsel in der SafetyCar-Phase verzichtet.
Aus dem Mercedes-Lager kamen aber auch kritische Töne zu Ferraris Aktionen in Le Castellet und jetzt in Silverstone, in denen unterschwellig Absicht unterstellt wurde. Mercedes-Technikdirektor James Allison: „Man muss sich fragen, ob das Absicht oder Unvermögen ist.“Hamilton wurde auch deutlich: „Ferrari hatte eine interessante Taktik.“Man sieht: Das Kopf-an-KopfRennen um die WM zwischen Rot und Silber wird nicht nur auf der Piste zunehmend ruppiger.
Stroll und Sirotkin (Williams) starteten nach Ausritten im Qualifying mit neuen Heckflügeln aus der Box. Brendon Hartley kam nicht einmal dazu, sein Toro Rosso wurde nach dem Trainingsunfall nicht fertig.