Violetta Valéry verbindet Liebesleid und Todeskampf
ELISABETH STUPPNIG KLOSTERNEUBURG.
Ein Spaziergang durch Weinreben mit Blick auf die Donau, Buschenschank und als Abschluss Oper. So kann ein Besuch im sommerlichen Klosterneuburg vonstattengehen. Am Samstag hatte man Wetterglück: Nach warmem Sonnentag ging die 25. Opernpremiere im Kaiserhof des Stifts Klosterneuburg, Verdis Allzeit-Favorit „La Traviata“, über die Bühne.
Auf dieser sehen wir eine HighSociety-Gesellschaft. In einem Bett liegt Violetta Valéry, scheinbar leblos. Alle verharren im Stillstand. Da stürmt Alfredo herein, und die plötzlich quicklebendige Violetta steht auf. Warum sind wir auf einmal im Pariser Treiben, bei Schampus, Small Talk und edlen Gewändern? Regisseurin Christiane Lutz erzählt die dramatische Geschichte in Rückblenden. Wir, so steht es im Programmheft, dürfen Alfredo bei der Trauerarbeit zusehen.
Dabei beginnt alles so schön: Violetta ist verliebt – ein bisher nicht gekanntes Gefühl für die junge, umschwärmte Kurtisane. Alfredo Germont heißt der junge Mann, der Violetta nach einem ihrer Schwächeanfälle seine Liebe gesteht. Schnell beschließen beide, dem Pariser Großstadttreiben den Rücken zu kehren. Was Alfredo nicht weiß: Violetta ist sterbenskrank. Der Vater Giorgio Germont hält wenig von der Verbindung und überredet Violetta, Alfredo zu belügen und ihn zu verlassen. „Addio del passato“– Ade, schöne Vergangenheit. Violetta nimmt Abschied von ihrem beschwingten Leben und der Liebe ihres Lebens. Den Grund erfährt Alfredo erst am Sterbebett.
Christian Andre Tabakoffs Bühnenbild bietet das gesellschaftliche Parkett, auf dem sich Violetta bewegt. Eine von drei Spielflächen ist der noble Salon mit hölzernem Boden und biederen Möbeln; dessen schräge Fläche symbolisiert wohl den unsteten Untergrund, auf dem sich die Titelheldin bewegt. Bespielt wird zudem eine Grasfläche, auf der witzigerweise wie aus dem Nichts Blumen sprießen, sowie ein gläserner Raum oberhalb des Parketts, der vielleicht aus akustischen Gründen beinahe unbespielt bleibt.
Es ist kein Leichtes, im schmucken Kaiserhof Oper aufzuführen. Wenig bis keine akustische Verstärkung, keine Dirigenten-Monitore und große Distanzen zwischen Solisten und Orchester können zu wenig beeindruckendem Rampengestehe führen. Regisseurin Christiane Lutz versucht daher, Violetta in Form von drei Tänzerinnen psychologische Tiefe zu verleihen, was aber unfreiwillig für komische und verwirrende Momente sorgte.
Überzeugender ist die Leistung der jungen Russin Eugenia Dushina, die als Violetta Valéry debütierte und stimmlich alle Facetten der Rolle zeigte – als jugendlich leichtsinniges Mädchen, dann mit beinahe dramatischem Sopran als sterbende Frau. Ihr gegenüber verzauberte Arthur Espiritu mit seinem lyrischen Tenor, auch wenn es ihm Christoph Campestrini am Pult der Beethoven Philharmonie nicht leicht machte – mit nicht nachvollziehbaren Tempi und kreativer Schlagtechnik. Auch den von Michael Schneider fein einstudierten, spielfreudigen Chor vermochte Campestrini nicht immer zusammenzuhalten.
Trotz des etwas langatmigen Theaterabends stimmen Musik und Ambiente glücklich. Beim „Libiamo ne’ lieti calici“wurde geschunkelt, und der Klosterwein schmeckte.