Die Gewerkschaft mobilisiert gegen den Zwölf-Stunden-Tag
ÖGB-Chef Katzian bleibt im Kampfmodus, macht aber der Regierung ein Angebot. Die Gewerkschaft fürchtet indes eine Debatte über die fünfte Urlaubswoche.
Der ÖGB hat die Hoffnung, das Gesetz über die Arbeitszeitflexibilisierung noch zu verhindern, nicht aufgegeben. Mehrere hochrangige Gewerkschaftsvertreter appellierten am Montag an den Bundesrat, der am Donnerstag zusammentritt, das Gesetz abzulehnen. Andernfalls werde man „die Anwendung“des Gesetzes „verhindern“, sagte Andreas Stangl, der ÖGB-Vizechef von Oberösterreich. Ob dies durch gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen geschehen solle, blieb offen. Auch der neue ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian ließ sich bei einem SN-Interview nicht in die Karten blicken: „Wir werden zeitgerecht unsere Schritte setzen“, sagte er auf die Frage, ob der ÖGB einen Generalstreik plane. Er forderte von der Regierung, auf das Gesetz über den Zwölf-Stunden-Tag zu verzichten, und bot stattdessen die Schaffung einer „Clearingstelle“an. Diese könnte binnen 48 Stunden – und ohne neues Gesetz – über die Zulässigkeit einer zwölfstündigen Arbeitszeit zur Abdeckung von Produktionsspitzen entscheiden, so Katzian.
Neue Unruhe in der Gewerkschaft löste ein Papier aus der Wirtschaftskammer aus, in dem die fünfte Urlaubswoche als „Übererfüllung“einer EU-Norm bezeichnet wurde. Sollten Wirtschaft und Regierung die Urlaubsregelung infrage stellen, wäre „in diesem Land Feuer am Dach“, sagte ÖGB-Chef Katzian den SN.
WIEN. Während die ersten Urlauber bereits Richtung Meer oder Badesee unterwegs sind, entbrennt in Österreich eine Diskussion über den fünfwöchigen Urlaubsanspruch. Arbeitnehmervertreter sehen die fünfte Urlaubswoche in Gefahr und werfen der Wirtschaft vor, die Urlaubszeit auf vier Wochen zusammenstreichen zu wollen. Wirtschaftsvertreter dementieren das, doch angesichts der hitzigen Arbeitszeitdebatte gehen die Wogen auch in der sonst so entspannten Ferienzeit hoch. Ist die fünfte Urlaubswoche tatsächlich in Gefahr?
Ausgelöst wurde die Aufregung durch ein Papier aus der Wirtschaftskammer (WKO). Dort hat man 200 Regelungen gesammelt, in denen Österreich aus Sicht der WKO EU-Richtlinien übererfüllt. Diese Übererfüllung von EU-Vorschriften wird „Gold Plating“genannt. Und diesem hat die Regierung unter der Federführung von Justizminister Josef Moser den Kampf angesagt.
„Das vorliegende Konvolut an rund 200 Beispielen soll die Grundlage bilden, um die Gold-PlatingSchwachstellen zu identifizieren. Nun sei eine rasche Umsetzung anzustreben. Es gehe um wirtschaftliche Interessen“, hieß es im Mai in einer WKO-Presseaussendung, nachdem man die Vorschläge der der Regierung übergeben hatte.
Unter Punkt 71 wird beschrieben, dass die EU-Richtlinie zur Arbeitszeit mindestens vier Wochen Urlaub vorsieht. In Österreich seien es jedoch fünf Wochen. Für die Arbeitgeber bedeute dies: „Mehrkosten; die Unternehmen sind verpflichtet, die Dienstnehmer trotz Abwesenheit zu bezahlen“, heißt es weiter in dem WKO-Papier. Die Wirtschaftsvertreter verorteten im Mai also „Gold Plating“bei der Urlaubszeit.
Tatsächlich gibt es eine EURichtlinie aus dem Jahr 2003, die auch die Urlaubszeit regelt. Doch die fünf Urlaubswochen wurden in Österreich bereits in den 1970ern festgeschrieben. Und die Umsetzung einer EU-Richtlinie darf – einfach gesagt – keine Verschlechterung in einem Mitgliedsstaat bringen. Es handelt sich also nicht um „Gold Plating“, denn die Regelung der Urlaubszeit stützt sich nicht auf eine EU-Richtlinie.
„Deshalb können wir das gar nicht ändern und wir wollen das auch gar nicht“, erklärte WKOSprecher Martin Gleitsmann am Montag auf SN-Anfrage und widerspricht so den Befürchtungen von Gewerkschaft und Arbeiterkammer, wonach die fünfte Urlaubswoche gefährdet sei.
Warum sich die Urlaubsregelung trotzdem auf der Liste der WKO findet? „Das war eine interne Auflistung zu allen Punkten, bei denen Österreich über den EU-Vorgaben liegt“, versucht Gleitsmann die Gemüter zu beruhigen. „Den Punkt der WKO werden wir nicht berücksichtigen“, heißt es aus Regierungskreisen.
Arbeitnehmervertreter trommeln bereits gegen das WKO-Papier: „Gerade in Zeiten, in denen die Belastung der Beschäftigten durch die Ausweitung der Arbeitszeiten steigt, ist unser Standpunkt, dass es nicht weniger an Urlaub und Erholungszeiten braucht, sondern mehr“, sagt etwa Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl.