Das Festival in Aix spielt „Dido und Aeneas“
ERNST P. STROBL AIX-EN-PROVENCE. Da wie dort schlendern Touristen durch die engen Gassen, man bestaunt die historische Architektur, alles atmet Kultur – es ist Festspielzeit. Salzburg hat mit Aix-en-Provence vieles gemeinsam, samt dem Gründungsgedanken, Mozart als wichtigen Baustein des Programms zu ehren. Wie nach Salzburg zieht es eine internationale Besucherschar nach Aix-enProvence, darunter Opernfreunde, denen man durchaus in Bayreuth oder an der Salzach begegnet.
Vor siebzig Jahren gegründet, hat sich Aix zu einem führenden Festival gemausert. Dort hatte schon Sir Simon Rattle seinen „Ring“ausprobiert, ehe er bei den Osterfestspielen Salzburg gezeigt wurde. Zwar gibt es mehrere Spielorte wie das 2007 mit der „Walküre“eröffnete Grand Théâtre de Provence, aber am reizvollsten sind wohl – immerhin ist man im klimatisch gesegneten Südfrankreich – die Opern unter freiem Himmel im Hof des ehemaligen Erzbischofspalasts.
Der belgische Intendant, Komponist und Organist Bernard Foccroulle hat 2007 nach Stéphane Lissner – der Franzose leitete zwischendurch neben Aix zeitgleich die Opernsparte der Festwochen Wien und dann die Mailänder Scala, die er zugunsten der Pariser Oper an Alexander Pereira „abtrat“– das Festival übernommen. Bernard Foccroulle war von der Oper in Brüssel, wo er 1992 die Intendanz von Gerard Mortier übernommen hatte, in den Süden abgewandert. Auf Wunsch seines Nachfolgers Pierre Audi hat Foccroulle in Aix heuer eine weitere Saison angehängt, damit Audi an der Oper in Amsterdam sein 30. Jahr als Direktor feiern konnte. Muss man das alles wissen? Nicht unbedingt, aber es zeigt doch auf, welch Zugvögel auf höchstem Niveau Opernintendanten sein können – und Netzwerker. Auch Foccroulle setzt auf Koproduktionen, unter den sechs Opernproduktionen des Jubiläumsjahres findet sich etwa Prokofjews „Der feurige Engel“, der von der Polnischen Nationaloper in Warschau geholt wurde. Andererseits gibt es herausragende Eigenproduktionen, die von Südfrankreich aus weitergereicht werden. Dazu zählt Henry Purcells „Dido und Aeneas“, worauf sich die Bolschoi-Oper freuen kann.
Am Samstag hatte die Produktion in Aix-en-Provence bejubelte Premiere in der wunderbaren Open-Air-Atmosphäre des Théâtre de l’Archevêché, im historischen Festivalzentrum. Inszeniert hat Vincent Huguet. Der Patrice-Chéreau-Schüler war zuletzt in Klagenfurt für „Werther“gelobt worden und bringt an der Wiener Staatsoper 2019 „Die Frau ohne Schatten“mit Christian Thielemann heraus.
Seit Mitte Juni „brummt“es schon in der Festspielstadt Aix-enProvence, viel Jugend ist unterwegs, tägliche Veranstaltungen wie Meisterklassen, Konzerte oder öffentliche Proben verströmen Musik, für die Jungen unter den 85.000 Besuchern legt man sehr günstige Karten auf. Und Foccroulle legt auf Interkulturalität Wert, das Konzert gegen Festivalende gestaltet das Mediterranean Youth Orchestra, das auch Musiker aus dem Nahen Osten umfasst.
Am Sonntag waren zirka 150 Amateurchorsänger aufgeboten, um auf dem Prachtboulevard, dem Cours Mirabeau, Foccroulles Herzensprojekt auf Französisch, Englisch und Arabisch aufzuführen. „Orfeo & Majnun“verbindet griechische und arabische Mythen und wurde von Airan Berg betreut.
„Interkulturell“ist auch Henry Purcells Oper angelegt, für die Maylis de Kerangal einen neuen Prolog im Zeichen der Flüchtlingsproblematik verfasst hat. Rokia Traoré aus Mali trug, umgeben von erschöpften Flüchtlingsfrauen, mit immenser Würde den Text vor, wie sie schicksalhaft am Hofe von Dido, der Herrscherin von Karthago, gelandet war. Die südafrikanische Mezzosopranistin Kelebogile Pearl Besong war Dido, deren Suizid zur berührenden Szene wurde dank Henry Purcells genialer Musik. Als Aeneas fiel Tobias Lee Greenhalgh wenig auf. Václav Luks leitete umsichtig Chor und Orchester des Ensembles Pygmalion.
Auch „Ariadne auf Naxos“von Strauss – die sechste Operninszenierung von Katie Mitchell in Aix – wird im Théâtre de l’Archevêché gezeigt, die Wiederaufnahme von Mozarts „Zauberflöte“in der reizvollen Inszenierung von Simon McBurney aus 2014 läuft im Grand Théâtre. Erstaunlich, was in einem kleinen Städtchen zustande kommt. Oper: