Ein europäischer Vergleich
Der Zwölf-Stunden-Tag ist in den EU-Ländern gar nicht so selten. Die EU-Arbeitszeitrichtlinie sagt allerdings nichts dazu.
BRÜSSEL. Arbeitszeit ist in der EU ein heikles Thema und nach wie vor sehr unterschiedlich geregelt. Vor fast zehn Jahren wurde ein Versuch, die bestehende EU-Arbeitszeitrichtlinie zu novellieren, aufgegeben, nachdem fünf Jahre lang ein Kompromiss versucht worden war. Ein zweiter Anlauf der EU-Kommission mit dem Ziel, eine Einigung der Sozialpartner auf EU-Ebene zu erreichen, ist ebenfalls gescheitert. Damit gilt weiter eine durchschnittliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche inklusive Überstunden – gerechnet über einen Zeitraum von vier Monaten – sowie der Anspruch auf mindestens vier Wochen bezahlten Jahresurlaub.
Über die maximale Arbeitszeit pro Tag, den Kern der hitzigen Debatte in Österreich, steht nichts in der EU-Richtlinie, sondern nur über die minimale Ruhezeit. Diese beträgt mindestens elf zusammenhängende Stunden pro 24 Stunden und mindestens 35 Stunden im Zeitraum von sieben Tagen. Damit bleiben theoretisch 13 Stunden für Arbeit pro Tag übrig. Belgien, Zypern, Tschechien, Dänemark, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Litauen, Luxemburg Ungarn, Malta, die Niederlande, Polen, Portugal, Finnland, Schweden, Großbritannien und auch Österreich haben diese elf Stunden Mindestruhezeit festgeschrieben, wobei Deutschland 2012 und Tschechien 2013 von zwölf auf elf Stunden reduziert haben. Die übrigen Staaten halten ganz generell weiter an zwölf Stunden fest. Einzelne Ausnahmen erlaubt die Richtlinie auch hier. So etwa haben Soldaten in Ungarn nur Anspruch auf acht Stunden Ruhezeit, wenn sie Bereitschaft haben.
In vielen EU-Ländern gibt es zusätzlich eine Festschreibung der täglichen gesetzlichen Arbeitszeit. Meist beträgt sie acht Stunden, wie die EU-Agentur für Arbeitsbedingungen (Eurofound) zuletzt festgestellt hat. Inklusive Überstunden liegt die Obergrenze in den meisten EU-Ländern schon jetzt bei zwölf bis 13 Stunden, in Norwegen sogar bei 16 Stunden. Nur Bulgarien, Deutschland, Luxemburg, Portugal und Slowenien halten bei zehn Stunden, Spanien bei 9,29 Stunden. Österreich erhöht nun von bisher zehn auf zwölf Stunden.
Unterschiede gibt es auch bei der maximalen wöchentlichen Arbeitszeit und Überstunden. In der Regel sind es 40 Stunden (Ausnahmen: Belgien mit 38 und Frankreich mit 35). Inklusive Überstunden erlauben die meisten Länder 48 Stunden, Belgien und Kroatien bis zu 50 Stunden, Deutschland – und in Zukunft auch Österreich – sogar 60.
Die Aufstellungen sind mit Vorsicht zu genießen, denn die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit gilt für einen bestimmten Zeitraum. Laut EU-Kommission sind es in den meisten Fällen vier Monate, einige Länder wie Belgien sehen aber maximal drei Monate vor (bzw. 13 Wochen für Ärzte), Slowenien gar nur vier Wochen.
Die meisten anderen EUStaaten haben aber die Ausnahmen für längere Durchrechnungszeiträume genützt, nicht immer ganz im Sinne der Richtlinie, wie die EU-Kommission anmerkt. Viele ermöglichen sechs bis zwölf Monate – generell oder für einzelne Sektoren per Kollektivvertrag. Auch in Österreich gibt es die Möglichkeit, die längere Wochenarbeitszeit über ein Jahr auszugleichen, aber nur sehr eingeschränkt.
Eurofound hat bisher keine Untersuchungen zum Zwölf-StundenTag, sagt Experte Oscar Vargas. Wohl aber zu den Auswirkungen von regelmäßig langer Arbeitszeit: Die Grenze von 48 Stunden sei aus Gesundheits- und Sicherheitsgründen festgesetzt worden. Laut einer Eurofound-Studie von 2017 über nachhaltige Arbeitsbedingungen ist die Mehrheit der Europäer mit ihrer Arbeitszeit zufrieden. Männer arbeiten im Durchschnitt 39,2 Stunden pro Woche, Frauen 32,7 Stunden, wobei der Unterschied in Westeuropa, Großbritannien und Irland am größten sei. Die längere Arbeitszeit bei Männern ist laut Eurofound auch der Grund, warum sie mit ihrem Arbeit-Freizeit-Verhältnis nicht ganz so zufrieden sind wie Frauen. Arbeitszeitpolitik sollte berücksichtigen, dass es gesunde, zufriedenstellende und flexible Arbeitsbedingungen braucht, um die Menschen auch länger in der Arbeit zu halten.
„Die 48-Stunden-Woche hat Gesundheits- und Sicherheitsgründe.“