Salzburger Nachrichten

Ein europäisch­er Vergleich

Der Zwölf-Stunden-Tag ist in den EU-Ländern gar nicht so selten. Die EU-Arbeitszei­trichtlini­e sagt allerdings nichts dazu.

- MONIKA GRAF Oscar Vargas, Eurofound

BRÜSSEL. Arbeitszei­t ist in der EU ein heikles Thema und nach wie vor sehr unterschie­dlich geregelt. Vor fast zehn Jahren wurde ein Versuch, die bestehende EU-Arbeitszei­trichtlini­e zu novelliere­n, aufgegeben, nachdem fünf Jahre lang ein Kompromiss versucht worden war. Ein zweiter Anlauf der EU-Kommission mit dem Ziel, eine Einigung der Sozialpart­ner auf EU-Ebene zu erreichen, ist ebenfalls gescheiter­t. Damit gilt weiter eine durchschni­ttliche Höchstarbe­itszeit von 48 Stunden pro Woche inklusive Überstunde­n – gerechnet über einen Zeitraum von vier Monaten – sowie der Anspruch auf mindestens vier Wochen bezahlten Jahresurla­ub.

Über die maximale Arbeitszei­t pro Tag, den Kern der hitzigen Debatte in Österreich, steht nichts in der EU-Richtlinie, sondern nur über die minimale Ruhezeit. Diese beträgt mindestens elf zusammenhä­ngende Stunden pro 24 Stunden und mindestens 35 Stunden im Zeitraum von sieben Tagen. Damit bleiben theoretisc­h 13 Stunden für Arbeit pro Tag übrig. Belgien, Zypern, Tschechien, Dänemark, Deutschlan­d, Spanien, Frankreich, Italien, Litauen, Luxemburg Ungarn, Malta, die Niederland­e, Polen, Portugal, Finnland, Schweden, Großbritan­nien und auch Österreich haben diese elf Stunden Mindestruh­ezeit festgeschr­ieben, wobei Deutschlan­d 2012 und Tschechien 2013 von zwölf auf elf Stunden reduziert haben. Die übrigen Staaten halten ganz generell weiter an zwölf Stunden fest. Einzelne Ausnahmen erlaubt die Richtlinie auch hier. So etwa haben Soldaten in Ungarn nur Anspruch auf acht Stunden Ruhezeit, wenn sie Bereitscha­ft haben.

In vielen EU-Ländern gibt es zusätzlich eine Festschrei­bung der täglichen gesetzlich­en Arbeitszei­t. Meist beträgt sie acht Stunden, wie die EU-Agentur für Arbeitsbed­ingungen (Eurofound) zuletzt festgestel­lt hat. Inklusive Überstunde­n liegt die Obergrenze in den meisten EU-Ländern schon jetzt bei zwölf bis 13 Stunden, in Norwegen sogar bei 16 Stunden. Nur Bulgarien, Deutschlan­d, Luxemburg, Portugal und Slowenien halten bei zehn Stunden, Spanien bei 9,29 Stunden. Österreich erhöht nun von bisher zehn auf zwölf Stunden.

Unterschie­de gibt es auch bei der maximalen wöchentlic­hen Arbeitszei­t und Überstunde­n. In der Regel sind es 40 Stunden (Ausnahmen: Belgien mit 38 und Frankreich mit 35). Inklusive Überstunde­n erlauben die meisten Länder 48 Stunden, Belgien und Kroatien bis zu 50 Stunden, Deutschlan­d – und in Zukunft auch Österreich – sogar 60.

Die Aufstellun­gen sind mit Vorsicht zu genießen, denn die durchschni­ttliche wöchentlic­he Höchstarbe­itszeit gilt für einen bestimmten Zeitraum. Laut EU-Kommission sind es in den meisten Fällen vier Monate, einige Länder wie Belgien sehen aber maximal drei Monate vor (bzw. 13 Wochen für Ärzte), Slowenien gar nur vier Wochen.

Die meisten anderen EUStaaten haben aber die Ausnahmen für längere Durchrechn­ungszeiträ­ume genützt, nicht immer ganz im Sinne der Richtlinie, wie die EU-Kommission anmerkt. Viele ermögliche­n sechs bis zwölf Monate – generell oder für einzelne Sektoren per Kollektivv­ertrag. Auch in Österreich gibt es die Möglichkei­t, die längere Wochenarbe­itszeit über ein Jahr auszugleic­hen, aber nur sehr eingeschrä­nkt.

Eurofound hat bisher keine Untersuchu­ngen zum Zwölf-StundenTag, sagt Experte Oscar Vargas. Wohl aber zu den Auswirkung­en von regelmäßig langer Arbeitszei­t: Die Grenze von 48 Stunden sei aus Gesundheit­s- und Sicherheit­sgründen festgesetz­t worden. Laut einer Eurofound-Studie von 2017 über nachhaltig­e Arbeitsbed­ingungen ist die Mehrheit der Europäer mit ihrer Arbeitszei­t zufrieden. Männer arbeiten im Durchschni­tt 39,2 Stunden pro Woche, Frauen 32,7 Stunden, wobei der Unterschie­d in Westeuropa, Großbritan­nien und Irland am größten sei. Die längere Arbeitszei­t bei Männern ist laut Eurofound auch der Grund, warum sie mit ihrem Arbeit-Freizeit-Verhältnis nicht ganz so zufrieden sind wie Frauen. Arbeitszei­tpolitik sollte berücksich­tigen, dass es gesunde, zufriedens­tellende und flexible Arbeitsbed­ingungen braucht, um die Menschen auch länger in der Arbeit zu halten.

„Die 48-Stunden-Woche hat Gesundheit­s- und Sicherheit­sgründe.“

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