In Steueroasen spielen die Berater eine heikle Doppelrolle
Geraten große Beratungsfirmen in einen Interessenkonflikt, wenn sie gleichermaßen Gesetzgeber und Firmen in Steuerdingen beraten? Forscher sehen 40 Prozent der Firmengewinne in Oasen.
WIEN. Obwohl viele Großunternehmen regelmäßig neue Rekordgewinne erzielen, ist die Ausbeute für den Fiskus vergleichsweise bescheiden. Das hängt auch mit seit Jahren sinkenden Steuersätzen zusammen. Zwischen 1985 und 2018 fiel der weltweite Durchschnittssatz der Körperschaftssteuer von knapp 50 Prozent auf 24 Prozent. Erst kürzlich senkten die USA bei einer Steuerreform ihre Unternehmensbesteuerung von 35 auf 21 Prozent.
In Österreich etwa fielen im Vorjahr 7,9 Mrd. Euro an Körperschaftssteuer an. Dem standen 25,5 Mrd. Euro aus der Lohn- und 28,6 Mrd. Euro aus der Umsatzsteuer gegenüber. In Deutschland und anderen Industrieländern ist das Verhältnis ähnlich. Diese Daten ergänzt ein internationales Trio von Ökonomen nun um weitere interessante Aspekte. Die Dänen Thomas Tørsløv und Ludvig Wier sowie der Franzose Gabriel Zucman untersuchten, welches Ausmaß die Umlenkung der Firmengewinne zum Zweck der Steuervermeidung schon angenommen hat. Kernaussage ihrer Ergebnisse, die auch das „Handelsblatt“veröffentlichte: Insgesamt würden multinationale Unternehmen rund 40 Prozent ihrer Gewinne künstlich in Steueroasen verlagern. Die Ökonomen verglichen die Relation von Gewinnen zu Kapitalund Arbeitseinsatz mit den entsprechenden Relationen bei heimi- schen Firmen und von Firmen in anderen Ländern. Über das Normalmaß hinausreichende Gewinne werteten sie als verlagert aus steuerlichen Gründen.
Ein beredtes Beispiel dafür ist die US-Firma Apple, die allein im Jahr 2016 satte 19 Mrd. Euro Gewinn auf der kleinen Karibikinsel Bermuda auswies. Und das, obwohl Apple auf Bermuda so gut wie keine Mitarbeiter noch physisches Kapital hat. Aber Bermuda hat ein anderes großes Plus, nämlich einen Unternehmenssteuersatz von null Prozent.
Einen weiteren Aspekt von Steuerflucht zeigt die Brüsseler Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) auf. In einer Studie belegt CEO, dass die vier großen international tätigen Wirtschaftsprüfungsfirmen – Deloitte, PwC, EY und KPMG – in Steuerangelegenheiten in einer bemerkenswerten Doppelrolle agieren.
Sie seien einerseits maßgeblich in die Erarbeitung von EU-Strategien gegen Steuervermeidung involviert. Die EU-Kommission vergibt an die „Big Four“jährlich Aufträge über Dutzende Millionen Euro. Andererseits seien die Berater „massiv in die Entwicklung und den Verkauf von Steuersparmodellen an multinationale Konzerne verwickelt“, schreibt CEO. Als Mitglieder von Lobbyverbänden versuchten die „Big Four“zudem, die EU-Politik im Kampf gegen Steuervermeidung zu beeinflussen. „Ein klarer Interessenkonflikt“, stellt das Netzwerk Attac Österreich fest.
Die Berater bestreiten das. Ihre Leistungen erfolgten stets „in Übereinstimmung mit Steuergesetzen und -vereinbarungen“, heißt es.