Das Piperl-Projekt
Im Herbst soll eine Schar gackernder Hühner durch ihren Garten wuseln. Das ist Evis größter Wunsch. Ein Sommerabenteuer.
Seit ich Evi kenne, und das sind schon an die zehn Jahre, träumt sie von Hühnern. „Wenn ich je einen Garten habe …“, sagte sie oft. Jetzt ist es so weit, seit Kurzem lebt sie mit ihrem Mann im neuen Haus, das von einer riesigen Wiese umgeben ist. Das Leben mit Hühnern kann beginnen.
Die Ausgangsidee schien simpel: Evis Schwiegermutter Meta, die nur einen Katzensprung entfernt lebt, besitzt bereits 16 Hühner und einen Hahn. Warum also nicht einfach eine von Metas Hennen brüten lassen?! Diese Rechnung ging trotz monatelanger Bemühungen nicht auf. Extra dickes Stroh im Nest, ein freundlicher Platz und gutes Futter haben nichts gebracht. Keines von Metas Hühnern blieb je auf den Eiern sitzen.
Dafür gibt es einen Grund: Seit Generationen züchten wir Hühner auf Leistung. Es dürfen gern 200 Eier und mehr im Jahr sein. Eine brütige Henne legt aber keine Eier, sie sitzt nur im Nest und hält es warm. Das ist hormonell gesteuert und lässt sich auch nicht ändern, wenn man ihr die Eier wegnimmt. Sie bleibt für mindestens 21 Tage stoisch sitzen, ohne zu legen. Das ist schlecht, wenn man täglich ein Ei ernten möchte. Darum war es ein züchterisches Ziel, den Bruttrieb auszuschalten. Das ist gelungen, die meisten Rassen haben ihn fast vollständig verloren.
Woher aber kommt dann der Nachwuchs? Das Schlagwort heißt „Kunstbrut statt Naturbrut“. Man nimmt die Hühnereier aus den Nestern und legt sie in einen Brutapparat. So ein Gerät, das die Eier konstant bei Temperaturen zwischen 37,5 bis 38 Grad hält, hat Evi sich inzwischen gekauft. Die Profiversion dieser Maschine kontrolliert automatisch die Luftfeuchte und wendet die Eier im Stundentakt. Das ist nötig, denn vom dritten Tag des Brütens bis drei Tage vorm Schlüpfen (die Brut dauert drei Wochen) müssen die Eier mehrmals täglich umgedreht werden, damit sich das Küken gesund entwickelt.
Die Henne würde das mit dem Schnabel machen. Evi macht es mit der Hand. Seit zwölf Tagen liegen zwölf Eier in der neuen Brutmaschine. In den Eiern ist die Entwicklung bereits rasant vorangeschritten. Könnte man in das Ei hineinschauen, würde man ein Küken mit bereits voll entwickelten Beinchen und Flügelchen sehen, die Augen sind fertig, Zehennägel und Federn wachsen gerade. Und das Beste: Ab sofort kann das Hühnerbaby Geräusche von draußen hören. Die brütende Glucke würde jetzt mit der Kommunikation beginnen. Das bedeutet für Hühnermama Evi: Auch sie muss nun die Eier angackern. (Ich könnte sie nächstes Mal fragen, ob ich ein YouTube-Video davon machen darf.) Auf diese Weise entsteht noch im Ei die erste Bindung vom Küken zur Mutter.
Aktuell arbeitet Evi täglich akribisch einen Plan ab mit genauen Notizen, welches Ei sie wann wenden muss, wie es um Luftfeuchte und Temperatur bestellt ist. Mitte nächster Woche sollen die Piperl schlüpfen. Wir sind so gespannt!