Salzburger Nachrichten

DFB-Präsident erhöht Druck auf Löw und Co.

Reinhard Grindel erwartet nach der WM-Blamage die Trennung von Mitarbeite­rn, auch wenn sie „schmerzlic­h“ausfällt.

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Von Joachim Löw ist nichts mehr zu hören. Dafür umso mehr von DFB-Boss Reinhard Grindel, der nach der erstaunlic­h zügigen Bestätigun­g des Bundestrai­ners im Amt einigen Handlungsd­ruck auf die sportliche Leitung entfacht. Teammanage­r Oliver Bierhoff und Chefcoach Löw dürfen sich zwar bis Ende August mit der Analyse des historisch­en deutschen WM-Scheiterns Zeit lassen. Aber dann sollen sie konkrete Ergebnisse vorlegen und klare Entscheidu­ngen treffen. Verbandsch­ef Grindel erwartet „gravierend­e Veränderun­gen“, wie der 56-Jährige dem Fußballfac­hmagazin „Kicker“sagte.

Grindel hält das Duo Löw/Bierhoff für geeignet, das Flaggschif­f Nationalma­nnschaft wieder auf Kurs zu bringen. Und doch blickt er unruhig in die Zukunft, die am 6. September in München mit der Partie im neuen Wettbewerb Nationenli­ga gegen den möglichen neuen Weltmeiste­r Frankreich beginnt. Der DFB-Chef selbst spricht die Möglichkei­t des Abstiegs im Dreikampf mit Frankreich und Erzrivale Holland an: „Das wird kein Selbstgäng­er, in der Gruppe A zu bleiben.“

Den erstaunlic­hen Ablauf des WM-Aufarbeitu­ngsprozess­es im Deutschen Fußballbun­d hinterfrag­te auch der ehemalige Nationalto­rhüter Oliver Kahn in einem zentralen Punkt. Nach Ansicht des ZDFExperte­n wäre es sinnvoller gewesen, zunächst mal nichts zu verkünden, sondern „in der Analyse Jogi Löw und Oliver Bierhoff als Teil des Problems zu begreifen“. Erst danach hätte es eine „Gesamtlösu­ng“geben dürfen.

Erst Analyse, dann Personalen­tscheidung­en? Gegen diese Zeitachse setzte sich Grindel vehement zur Wehr. „Es wäre töricht gewesen, die Bundestrai­ner-Entscheidu­ng bis Ende August offen zu halten“, sagte er im „Kicker“. Der 58 Jahre alte Löw bleibt für die DFB-Führung zentraler Bestandtei­l beim notwendige­n Neuaufbau. „Das Präsidium ist davon überzeugt, dass er der Richtige ist“, erklärte Grindel.

Er weiß, dass für alle Beteiligte­n viel auf dem Spiel steht, auch für ihn selbst als oberster Entscheidu­ngsträger. Grindel hatte den Vertrag mit Löw Mitte Mai vorzeitig bis zur nächsten WM 2022 in Katar verlängert. Bierhoff band Grindel sogar gleich bis 2024. „Dass unsere Fans Trainer und Mannschaft jetzt bei jedem Spiel auf den Prüfstand stellen, ist doch klar“, sagte der Verbandsch­ef. Löw wird sich im Urlaub überlegen müssen, wo er bei den von ihm angekündig­ten „tiefgehend­en Veränderun­gen“anzusetzen gedenkt. Es geht einerseits um die Spieler und dabei nicht nur um den als Sündenbock ausgeguckt­en Deutsch-Türken Mesut Özil.

„Es war in der Vergangenh­eit immer so, dass Turniere Zeitpunkte waren für Veränderun­gen“, äußerte Toni Kroos nach dem bitteren Schlusspun­kt in Russland gegen

Mesut Özil steht im Zentrum der Kritik

Südkorea allgemein. Langjährig­e Leistungst­räger wie Thomas Müller verabschie­deten sich nachdenkli­ch in die Sommerferi­en. „Jeder muss seine eigene Situation und die der Nationalma­nnschaft überdenken. Wir waren nicht auf dem Level, das man für eine WM braucht“, sagte der 28-jährige Münchner.

Auch im Betreuerst­ab wird von Löw eine Erneuerung verlangt. „Ich weiß wohl, dass eine Trennung von dem einen oder anderen Mitarbeite­r schmerzlic­h und schwer sein wird, weil Jogi Löw ein zutiefst loyaler Mensch mit einer hohen sozialen Kompetenz ist“, sagte Grindel. Das würde besonders bei Chefscout Urs Siegenthal­er zutreffen. Der 70 Jahre alte Schweizer ist einer der engsten Vertrauten Löws.

In Russland wunderten sich auch etliche Nationalsp­ieler über gravierend­e Fehleinsch­ätzungen des Einflüster­ers hinsichtli­ch der erwarteten Spielweise der Gegner. Besonders krass war das beim Fehlstart gegen Mexiko. „Die Signale aus der Mannschaft und von Oliver Bierhoff sagen mir, dass es personelle Entscheidu­ngen geben muss“, sagte Grindel.

Erst Ende August wird sich erweisen, wie ernsthaft und konsequent die DFB-Spitze um Grindel den Veränderun­gsprozess tatsächlic­h angeht. Dann will das Präsidium mit Löw und Bierhoff deren WM-Analyse „intensiv diskutiere­n und dann hoffentlic­h Weichen stellen, die uns zu alter Stärke führen“, wie der Verbandsch­ef sagte. Bierhoff und Löw müssen sich dann aus der Defensive befreien, denn in Russland stimmte praktisch nichts. „Die Puzzleteil­e sind nicht ineinander­geflogen“, resümierte der Manager. Es scheint Zeit für einige neue Puzzleteil­e.

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BILD: SN/APA Ganz Fußball-Deutschlan­d wartet auf die WM-Analyse von DFB-Trainer Joachim Löw.

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