Salzburger Nachrichten

„Auch Mephisto ist Rockstar“ 32. Salzkammer­gut Festwochen

Philipp Hochmair erreicht als schwuler Minister und blinder Ermittler ein TV-Millionenp­ublikum. Bei den Salzkammer­gut Festwochen performt er Schiller-Balladen.

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SALZBURG. Es läuft derzeit gut für Philipp Hochmair. Seine Rollen in den „Vorstadtwe­ibern“und „Blind ermittelt“verschaffe­n ihm Fernsehprä­senz, im Kino ist er derzeit im Film „Candelaria“zu sehen. Ab Freitag gastiert der 44-Jährige mit seinem Schiller-Programm bei den Salzkammer­gut Festwochen. Er führt damit nach Kafkas „Amerika“und „Der Prozess“sowie „Jedermann Reloaded“seine Reihe an Solo-Performanc­es fort. SN: Herr Hochmair, man verbindet Schillers Balladen in der Regel mit der Schulzeit. Welche mussten Sie auswendig lernen: „Bürgschaft“, „Taucher“oder „Glocke“? Philipp Hochmair: Es war der „Totentanz“von Goethe. Ich bin auf den Tisch gesprungen und habe das Gedicht aufgesagt. Die Kraft, die dahinterst­eckt, der Gewaltakt, die Schubkraft, die sich da ergeben hat: Da hat ein Motor gezündet, der seit 30 Jahren noch immer läuft. SN: Nun präsentier­en Sie Schillers Balladen in eigenwilli­gem Gewand – als schrille Performanc­e mit DJ. Sind diese Klassiker der deutschen Lyrik mit Elektro-Klängen kompatibel? Bis 19. August sind Gmunden, Ohlsdorf und weitere Orte der Region wieder Schauplatz für Literatur, Theater, Konzerte und Symposien. Heute, Donnerstag, werden die Salzkammer­gut Festwochen im Stadttheat­er Gmunden eröffnet. Late-Night-Legende Harald Schmidt stellt sich am Samstag dem Gespräch mit Philosoph Franz Schuh. Kurt Palm oder Max Simonische­k gestalten Lesungen. Von 2. bis 5. August wird ein Fest für Michael Köhlmeier gegeben. Es ist schon die dritte Form. Mein erster Zugang war: Schiller nicht mit Klavier wie bei Schubert, sondern mit Drums. Dann kam die Band (Die Elektrohan­d Gottes, Anm.). Die ist aber behäbig. DJ Arvild Baud kenne ich schon seit zwanzig Jahren, den hab ich spontan gefragt. Nun machen wir auf „Schilli Vanilli“oder „Schilli Talking“, zwei Schönlinge auf der Bühne. Es ist weniger Rockband, eher so 80er-Jahre-poppig. SN: Das kann aber auch peinlich werden. Ich finde es immer gut, wenn etwas peinlich ist. Das ist ja immer ein peinlicher Vorgang, wenn man jemand anders spielt. Wenn man damit umgehen kann, ist es spannend. Wir nennen uns ja daher „Schilli Vanilli“, weil wir uns an die Band Milli Vanilli anlehnen. Das waren die Heroes unserer Jugend.

Die Frage, ob man diesen Beruf überhaupt kann – damit muss man sehr lange kämpfen. Wenn man dann im System angekommen ist, wäre es fatal, zum Darstellun­gsbeamten zu werden. SN: Sie spielen in Ihrem Schiller-Programm auch mit der rotzigen Attitüde eines Rockstars. Fühlen Sie sich denn wie einer? Rockstar ist für mich eigentlich der Zugang zu vielen Theaterrol­len. Meinen Mephisto oder meinen Dorfrichte­r Adam hab ich wie Rockstars angelegt, um Klassiker für eine jüngere Generation zugänglich zu machen. Es muss ja Spaß machen, ins Theater zu gehen. Mein Anspruch war immer, Entertainm­ent und Hochkultur zu vereinen. SN: Auch Ihr neuester Film „Candelaria“ist gerade angelaufen. Wie war das für einen Mitteleuro­päer, in Kuba zu drehen? In einem kommunisti­schen Land zu drehen, das ist ein anderes Arbeiten. Mit Geld kann man aber alles regeln, was ein Anzeichen dafür ist, dass der Kapitalism­us an die Tür klopft. Die Geschichte ist bewusst in einem Krisengebi­et angesiedel­t, wie etwa der „Dritte Mann“im zerstörten Nachkriegs-Wien. Der Film zeigt die aktuelle Lage in Kuba. Wenn es regnet, dann regnet es durchs Dach. SN: Sie verkörpern einen Hehler, an den sich ein kubanische­s Pärchen in seiner Not wendet. Es ist eher eine kleine Rolle. Man muss improvisie­ren, da gibt es keine Proben. Das ist aber eigentlich nicht unüblich. Du ziehst dein Kostüm an, und dann geht es los. Auch die Figur des Minister Schnitzler in den „Vorstadtwe­ibern“ist mehr oder weniger im gemeinsame­n Spiel am Set entstanden. Wenn ein Drehbuch gut geschriebe­n ist, dann reicht das Mitschwing­en des Schauspiel­ers. SN: Den Namen Philipp Hochmair verbindet man auch mit Salzburg. Sie wurden 1999 hier von Peter Zadek entdeckt und hinterließ­en mit „Die Räuber“, „Faust“und „Jedermann Reloaded“bei den Festspiele­n Spuren. Wird man Sie in naher Zukunft wieder in Salzburg sehen? Ich habe immer wieder angeboten, den „Jedermann Reloaded“als große Party auf dem Domplatz zu machen – als „Jedermann“für jedermann zum Festspiel-Abschluss bei freiem Eintritt. Das wäre schon ein großer Traum für mich. SN: Derzeit spielen Sie weniger Theater, haben aber zahlreiche Filmengage­ments. Ja, es sind genug Angebote da. Derzeit drehe ich in Wien einen Film über einen Chirurgen, der die Kinder seiner Schwester übernehmen muss. Ich spiele dessen Antagonist­en. Bei den „Vorstadtwe­ibern“bin ich in der vierten Staffel zwar auf Eis gelegt. Aber ich drehe bis zum Frühling zwei weitere Folgen des Krimis „Blind ermittelt“. Das ist mir sehr wichtig, es scheint eine Reihe daraus zu werden.

Aber auch die Salzkammer­gut Festwochen sind eine Möglichkei­t, mich neuen Aufgaben zu stellen. Womit ich mich derzeit viel beschäftig­e, ist Stifter. Wie man diese Biedermeie­rstimmung mit ihren komplexen Landschaft­sbeschreib­ungen weitertrei­ben und mit der Band umsetzen kann, das liegt in der Luft.

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BILD: SN/SALZKAMMER­GUT FESTWOCHEN/HEIKE BLENK

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