„So extrem war es noch nie“
Die steirische Hagelabwehr fliegt heuer um ein Drittel mehr Einsätze als üblich, die Gewitter werden auch immer intensiver. In Deutschland ist die Wirksamkeit der Methode umstritten.
Das Unheil kommt von oben. Wenn andere Fenster und Türen sicherheitshalber verschließen, steigen sie ins Flugzeug: die wagemutigen Piloten der steirischen Hagelabwehr. Sie fliegen direkt in die Gewitterzonen und sie verbrennen in der Luft eine Silberjodid-Azeton-Lösung, wodurch Silberjodidkristalle freigesetzt und in hagelträchtige Gewitterwolken eingebracht werden. „Dadurch bilden sich kompakte Wassermoleküle und das Auftreten des sogenannten Katastrophenhagels wird somit verhindert“, sagt Josef Mündler, einer der neun Piloten der Steirischen Hagelabwehr Genossenschaft.
Katastrophenhagel. Heuer gab es bereits mehrere schwere Hagelunwetter, die der Landwirtschaft Millionenschäden beschert haben. „Es ist ein wahres Katastrophenjahr, wir fliegen rund ein Drittel mehr Einsätze als normal“, betont Mündler. Und: Die Gewitter würden immer intensiver, die Einsätze immer komplizierter. Die Auswirkungen des Klimawandels seien Mündler zufolge ganz deutlich zu spüren. Wenn er mit seinem 1400 Kilogramm schweren Spezialflugzeug unter den dunklen Wolken fliege und von wilden Sturmböen erfasst werde, sei dies ein Grenzerlebnis. Nichts für Leute mit Flugangst, auch kein Honiglecken für „normale Piloten“: „Die Maschine beutelt es da oben wie ein Blatt Papier, obwohl ich gut festgezurrt bin, gibt’s ständig Gefahr, dass ich mit dem Kopf wo anschlage.“Der 65-Jährige kann bereits auf 1300 Stunden in der Hagelabwehr zurückblicken. „So extrem wie heuer war es noch nie“, sagt der erfahrene Pilot.
Die steirische Hagelabwehr ist derzeit für 97 Gemeinden zuständig und fliegt im Schnitt rund 60 Einsätze pro Jahr. Anfang der 1980erJahre haben die Einsätze mit den Flugzeugen begonnen, bis in die 1960er-Jahre waren noch Hagelraketen in die Wolken geschossen worden. „Hagelabwehr war schon bei den alten Ägyptern ein Thema, später hat man hierzulande versucht, über die Schwingungen von Kirchenglocken oder Kanonen- und Böllerschüsse den Hagelschlag einzudämmen.“
Die Arbeit der steirischen Hagelflieger wird wissenschaftlich begleitet, Experten der TU Graz haben nachgewiesen, dass es durch die Flugeinsätze weniger Hagelschäden gibt. Auch an der FH Joanneum entstehen Arbeiten über das „Impfen“ der Wolken. In Deutschland gibt es hingegen auch kritische Stimmen. Der einstige ARD-Wetterexperte Jörg Kachelmann hatte gar einmal gemeint, man könne das Geld für die Hagelflieger auch gleich aus dem Flugzeug werfen. Was für Josef Mündler „natürlich ein Unsinn“ist.
„Die Sinnhaftigkeit der Hagelabwehr steht für mich aus volkswirtschaftlicher Sicht außer Frage“, betont Josef Birnstingl, Bürgermeister der Gemeinde St. Bartholomä.