„Du musst dich bei jedem einzelnen Offizier bedanken“
Die geretteten Buben sind auch seelisch in einer guten Verfassung. Die Ärzte glauben, das liege daran, dass sie während der langen Zeit in der Höhle als Team agiert haben.
An Thailands Höhlendrama, das die Welt lang in Atem hielt, schrieben viele mit: Taucher, Ärzte, Freiwillige, der Provinz-Gouverneur – aber allen voran die zwölf Spieler des Fußballvereins „Wildschweine“aus Mae Sai. Und auch ihr Trainer. Man kann „Bruder Ekk“, wie ihn die Leute nennen, die Schuld an allem geben. Der 25-Jährige war es, der die leichtsinnige Idee hatte, das Team nach einem Training in die Höhle zu bringen. Dort saßen er und die Buben (elf bis 16 Jahre) seit dem 23. Juni fest.
Die Polizei von Mae Sai ließ bisher aber noch offen, ob sie gegen den ehemaligen Buddhistenmönch ermitteln wird. Er hatte sich vergangene Woche in einem Brief bei den Eltern entschuldigt. Diese werfen ihm aber gar nichts vor. Eine Mutter schrieb: „Mach dir keine Vorwürfe. Niemand von den Eltern ist irgendwie böse auf dich. Mach dir keine Sorgen.“
Nach allem, was man weiß, kümmerte sich der Mann, der früh zum Vollwaisen wurde, 17 Tage lang rührend um seine Schützlinge. Er überließ ihnen das wenige Essen, hielt sie an, nicht unnötig Energie zu verschwenden, brachte ihnen das Meditieren bei. „Bruder Ekk“harrte bis ganz zum Schluss aus.
Wie am Mittwoch bekannt wurde, entwickelten sich die letzten Stunden der Rettungsaktion noch dramatisch. Als das internationale Team von Spezialtauchern schon fast alle nach draußen gebracht hatte, fiel die zentrale Pumpe aus, mit der der Wasserstand in der Höhle unter Kontrolle gehalten wurde. Wer konnte, rannte schnell zum Ausgang. Doch auch hier ging zum Glück alles gut.
Jetzt liegen Trainer und Team im Krankenhaus der Provinzhauptstadt Chiang Rai. Drei Buben haben eine leichte Lungenentzündung. Im Schnitt haben die Kinder zwei Kilogramm an Gewicht verloren. Amtsarzt Thongchai Lertvilairattanapong lobte aber ihren „sehr guten mentalen Zustand“. Er fügte hinzu: „Wahrscheinlich, weil sie die ganze Zeit als Team verbrachten, wo einer dem anderen hilft.“
Die Kicker bekommen Applaus von allen Seiten. Das meiste Lob erhält jedoch Adul Sam On, der als Einziger der Gruppe gut Englisch spricht (und Thai, Burmesisch und Mandarin). Über ihn lief die Kommunikation mit den ausländischen Rettern. Der 14-Jährige ist – wie der Trainer und zwei Mitspieler – nicht einmal Thai. Er gehört zur Minderheit der Wa, die in Myanmar, auf der anderen Seite der Grenze, verfolgt wird. Einen Pass hat er nicht.
Seine Eltern brachten den Staatenlosen vor ein paar Jahren aus Myanmar auf eine Baptistenschule nach Mae Sai. Sie legen größten Wert auf gutes Benehmen. In einer kurzen Notiz, die sie ihrem Sohn in die Höhle bringen ließen, heißt es: „Vergiss nicht: Wenn du raus- kommst, musst du dich bei jedem einzelnen Offizier bedanken.“
An seiner Schule sind alle stolz auf Adul. Seine Klassenlehrerin Piyarat Yodsuwan sagt: „Er war immer schon ein sehr hilfsbereiter Bursch. Alle lieben ihn.“Jetzt hofft die ganze Klasse, dass er bald zurückkommt. „Auch weil sie jetzt keinen haben, von dem sie die Hausaufgaben abschreiben können“, sagt die Lehrerin. In Mae Sai können sie wieder lachen.
In der Nacht auf Mittwoch wurde in der 20.000-Einwohner-Stadt gefeiert. Die Verwunderung, dass die ganze Welt Anteil am Schicksal ihrer Fußballer nimmt, ist noch groß. Normalerweise interessiert es kaum jemanden, wenn in Asien während der Monsunmonate Menschen sterben. In Nepal und Indien kamen am Mittwoch bei Unwettern Dutzende Menschen ums Leben.
Aber das Drama um die eingeschlossenen Kinder bewegte die Menschen rund um den Globus. Das glückliche Ende ist eine Nachricht, wie sie die Welt vielleicht gerade gebraucht hat, auch weil Tugenden wie Gastfreundschaft, Solidarität und gegenseitige Hilfe zum Tragen kamen. Die „Straits Times“aus Singapur nennt es eine „Lektion der Menschlichkeit“.
Die größten Helden unter all den Erwachsenen sind die Taucher – die Soldaten der thailändischen Marine, aber auch gut ein Dutzend Profis aus dem Ausland, die eigens eingeflogen wurden. In Mae Sai zeigte sich auch, was durch internationaler Zusammenarbeit möglich ist.
Wie nah Freud und Leid beisammen liegen, zeigt das Schicksal des Arztes Richard Harris. Er hatte in den vergangenen Tagen immer wieder den gefährlichen Weg in der Höhle zurückgelegt, um die Eingeschlossenen zu untersuchen. Der Australier mit 30 Jahren Taucherfahrung war am Abend einer der Letzten, die aus der Höhle gingen. Kurz darauf, inmitten des Jubels, bekam er dann die Nachricht vom Tod seines Vaters.