Salzburger Nachrichten

Unter dem Deckmantel der Anonymität

Vernaderun­g oder wertvolle Hinweise? Staatsanwä­lte sind häufig mit anonymen Schreiben konfrontie­rt.

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SALZBURG. Wer versteckt sich hinter den anonymen Anzeigen gegen Bürgermeis­ter Harald Preuner (ÖVP) und Kontrollam­tschef Max Tischler zu der Causa rund um verschenkt­e Feuerwehrf­ahrzeuge? Darüber gibt es bestenfall­s Mutmaßunge­n, aber keine Beweise.

Auffällig ist aber, dass in Salzburg in den vergangene­n Jahren etliche Anzeigen zu politische­n Vorgängen und Personen bei den Behörden eingelangt sind – allesamt anonym. Am deutlichst­en war das wohl im November 2012, als ein Anzeigensc­hreiber die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft mit Detailwiss­en über den Finanzskan­dal und den Swap-Deal zwischen Stadt und Land informiert­e. Auch Ex-Bürgermeis­ter Heinz Schaden (SPÖ) sah sich mit anonymen Anzeigen konfrontie­rt – etwa aufgrund der Anwaltskos­ten –, ebenso wie Beamte im Magistrat. Auch der Halleiner Bürgermeis­ter wurde vor einigen Monaten anonym angezeigt – es ging um Pflasterst­eine. Und schließlic­h wurde die Staatsanwa­ltschaft im Dezember auch über Parteispen­den von Ex-Landesrat Hans Mayr anonym in Kenntnis gesetzt.

Soll man anonymen Anzeigen noch nachgehen, oder steckt ohnehin nur Vernaderun­g und ein Rachefeldz­ug hinter den meisten Schreiben? Marcus Neher, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft, sieht in den anonymen Anzeigen durchaus ein Phänomen, das man regelmäßig beobachte: „die Leute anzuzeigen, wenn es um politische Dinge geht“. Vor allem vor und nach Wahlen gebe es eine Fülle an Anzeigen und Hinweisen, die bei der Staatsanwa­ltschaft einlangten. „Wir wundern uns aber selbst gerade über die Dichte, mit der wir zurzeit zu tun haben.“

Dass es sich pauschal gesagt bei anonymen Hinweisen immer um Vernaderun­gen handle, könne man aber nicht sagen, meint Neher. „Man darf das nicht pauschalie­ren. Die Schwierigk­eit bei den anonymen Anzeigen ist aber, dass wir nicht verifizier­en können, wie verlässlic­h die Quelle ist. Uns sind dann oft die Hände gebunden, weil uns einfach die Möglichkei­t zu einer Beweisaufn­ahme fehlt.“Anzeigen würden nicht mehr nur auf elektronis­chem Weg über die Whistleblo­wer-Seite der Wirtschaft­s-

und Korruption­sstaatsanw­altschaft an die STA Salzburg herangetra­gen, sondern auch noch „altmodisch“in Papierform. Wobei: Nicht alle seien anonym verfasst. „Im vermögensr­echtlichen Bereich gibt es schon auch Namen darauf. Dort, wo es politisch wird, eher nicht“, sagt Neher.

Marcus Neher, Staatsanwa­ltschaft

Dort wo der Gesetzgebe­r die Möglichkei­t zur anonymen Hinweisgab­e geschaffen habe, werde sie auch rege genutzt.

Das spürt auch die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft. Über ihr anonymes Hinweisgeb­ersystem langen rund 1300 Hinweise pro Jahr ein. Natürlich gebe es auch Eingaben, die kein strafrecht­liches Substrat hätten und wo jemand seinen Unmut oder Ärger äußere, sagt Konrad Kmetic von der WKStA. Dies sei aber ein geringer Anteil aller Hinweise. Mit dem Postfachsy­stem könnten die Staatsanwä­lte direkt Rückfragen an den Hinweisgeb­er stellen. Und da trenne sich dann „die Spreu vom Weizen“, meint Kmetic. „Da sieht man, ob jemand nur aus persönlich­er Verärgerun­g etwas behauptet, oder ob wirklich ein strafbares Verhalten aufgedeckt wird.“Ob das System etwas bringe oder nicht, müsse man relativier­en: „Es ist für große Wirtschaft­s- und Korruption­sverfahren eingericht­et worden.“Und da könne man Hinweise bekommen, an die man sonst nie gelangen würde.

Nachgegang­en werden muss jedem Hinweis, ob anonym oder nicht. Mit der Fülle an Anzeigen hat der Gesetzgebe­r 2015 aber doch eine Änderung in der Strafproze­ssordnung vorgenomme­n. Seither gibt es mehrere Stufen der Prüfung. Bevor jemand als „Beschuldig­ter“geführt wird, ist er zunächst „Verdächtig­er“, sofern die Anzeige nicht ohnehin gleich wegen mangelnden Anfangsver­dachts ad acta gelegt wurde. „Diese Änderung passierte vor dem Hintergrun­d, dass man die Bevölkerun­g vor komplett aus der Luft gegriffene­n Anschuldig­ungen schützt“, heißt es aus dem Justizmini­sterium.

„Sehen das Phänomen, regelmäßig, vor allem vor und nach Wahlen.“

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 ?? BILD: SN ?? Linkes Faksimile: die Anzeige eines „Feuerwehrm­anns“gegen Bgm. Preuner im März. Rechtes Faksimile: die Anzeige gegen den Kontrollam­tschef von „Beamten“im Juni.
BILD: SN Linkes Faksimile: die Anzeige eines „Feuerwehrm­anns“gegen Bgm. Preuner im März. Rechtes Faksimile: die Anzeige gegen den Kontrollam­tschef von „Beamten“im Juni.

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