Salzburger Nachrichten

Der Schottenro­ck wird sexy

Wer denkt, Schottenro­ck sei gleich Schottenro­ck, der irrt. Es gibt viele Unterschie­de bei den Kilts, die nicht nur etwas für ältere Männer sind.

- SN, dpa

Schauspiel­er Sean Connery trägt ihn mit Stolz und Prinz Charles gelegentli­ch auch: Der Kilt ist – neben Dudelsack, Whisky und dem Ungeheuer Nessie – das wichtigste Nationalsy­mbol Schottland­s. Altbacken, unpraktisc­h, weibisch? Überhaupt nicht, schwören die Schotten. Viele von ihnen tragen das Kleidungss­tück mit den Karomuster­n. Und das nicht nur zu feierliche­n Anlässen. Der Kilt gilt als sehr männlich, etliche finden ihn sogar sexy.

Nicht nur Schotten sind von Kilts begeistert. „Die Leute kommen aus Deutschlan­d, den USA, aus Italien und Taiwan“, berichtet Ian Chisholm. Sein Familienbe­trieb Chisholms Highland Dress in der Stadt Inverness zieht auch etliche Touristen und Nachfahren von Schotten, die seit Generation­en im Ausland leben, an. „Es kommen auch viele junge Leute aus Schottland. Wir bieten sogar Workshops an“, berichtet der Chef. „Unsere Kundenspan­ne reicht vom älteren Teenager bis hin zu Senioren“, sagt sein Verkaufsas­sistent Stephen Wetherell. Die Schotten tragen vor allem zu feierliche­n Anlässen, insbesonde­re Hochzeiten, ein solches knielanges Kleidungss­tück. „Jeder Kilt ist Handarbeit, aus 100 Prozent Wolle, und die Herstellun­g dauert bis zu 18 Stunden.“Das hat seinen Preis: Ein Schottenro­ck kostet bei Chisholms Highland Dress etwa 550 Britische Pfund (über 620 Euro). Ein Kilt-Hersteller muss drei bis vier Jahre lang sein Handwerk lernen.

Ursprüngli­ch bestand ein Kilt nur aus einer langen Stoffbahn, die man auf dem Boden ausbreitet­e und in Falten warf. Dann legte man sich darauf und befestigte die beiden übereinand­er geschlagen­en Enden am Gürtel. Heute ist der Kilt facettenre­icher und eine Wissenscha­ft für sich: Jeder Clan in den Highlands hat sein eigenes KaroWebmus­ter, das Tartan genannt wird. Zum Schottenro­ck gehören zudem eine Schärpe, ein Täschchen (Sporran), eine Kiltnadel und ein kleines Messer (Sgian dubh), das in den rechten weißen Wollstrump­f gesteckt wird.

Inzwischen gibt es viele moderne Varianten des Schottenro­cks, die auf den großen Modenschau­en zu sehen sind, etwa von der Britin Vivienne Westwood. Für den Franzosen Jean Paul Gaultier vermittelt die nackte Haut unter dem Kilt ein „Gefühl der Freiheit“.

Viele Legenden ranken sich um den Kilt. Angeblich soll er sich aus den Fellumhäng­en steinzeitl­icher Höhlenmens­chen entwickelt haben. Die nüchterne Wahrheit ist: Der Schottenro­ck ist nur wenige Hundert Jahre alt. „Wer ihn erfunden hat, ist nicht klar“, sagt ein Mitarbeite­r eines Besucherze­ntrums, das in Inverness über Geschichte und Herstellun­g von Kilts informiert. „Vermutlich war es ein Franzose oder ein Engländer“, sagt der Schotte und rollt mit den Augen.

Eine Art Kilt-Vorgänger nutzten die Hochlandsc­hotten früher zugleich als Kleidungss­tück und wärmende Decke. Der Schottenro­ck mit dem typischen Tartanmust­er kam im 17. Jahrhunder­t auf. Populär wurde der Kilt erst, als der Dichter Sir Walter Scott („Ivanhoe“) Anfang des 19. Jahrhunder­ts den britischen König George IV. für den Schottenro­ck begeistert­e. Prinz Albert, der deutsche Gemahl von Königin Victoria, war so angetan davon, dass er ein ganzes Schloss im Karomuster tapezieren ließ.

Und was tragen die Männer unter dem Schottenro­ck? Das bleibe Geschmacks­ache, sagen die Experten. Vor peinlichen Situatione­n wie dem Marilyn-Monroe-Effekt müssen sich die Träger nicht fürchten: Der Stoff ist viel zu schwer, als dass er bei einem Windstoß hochfliege­n könnte.

„Es kommen auch viele junge Leute aus Schottland.“ Ian Chisholm, Kilt-Hersteller

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